Der Fachtag „Inklusion und Teilhabe – Würzburg ist auf dem Weg“ fand am 1. Oktober 2016 an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt statt. Dieser ist ein Ergebnis aus dem Forum Campus Community Dialog, der die Tagung in Kooperation mit der Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften veranstaltete. An der Hochschule werden derzeit zwei Studiengänge angeboten die Inklusion fördern und behandeln. Einer davon ist Medienmanagement. Hier entstehen immer wieder Materialen, u.a. für das Würzburger Musikfest oder auch ein Imagefilm für die Lebenshilfe Nördlingen. Auch eine aktuelle MA-Thesis untersucht die Barrierefreiheit der Hochschule sowohl architektonisch als auch sozial. Für die MA-Thesis wurden betroffene Studierende befragt. Zwar wurden die Gebäude der Hochschule bereits umfangreich renoviert, doch einiges fehle bislang noch: Rampen und Fahrstühle sind nicht ausreichend, Türen nicht breit genug. „Hörsaal ist nicht barrierelos. Der Raum kann zwar erreicht werden, aber man sitzt doch alleine in der ersten Reihe. Man sitzt vor allen anderen und hat keinen Tisch“, so ein Zitat aus der Befragung. So gehöre man „zwar dazu, und doch irgendwie nicht.“ Hier wird deutlich, dass Wege gemeinsam beschritten werden müssen. Ein weiterer Teil der Inklusion während dieser Tagung war, dass für die Vorträge sowohl Gebärden- als auch Schriftdolmetscher via VerbaVoice zugeschaltet waren. Ein Zeichen dafür, dass bei diesem Projekt Barrieren überwunden werden, denn auch die Kommunikation ist hier barrierefrei. Prof. Kulke betonte, dass das Programm sehr selektiv aussehe. Dies sei darin begründet, dass im Vorfeld nach Themen gefragt wurde, weshalb nun ein scheinbarer Schwerpunkt gesetzt wurde. Dieser Fachtag solle zeigen, was Würzburg bereits zu bieten hat, das in diesem Rahmen gezeigt werden könne.
Auch sprach Dr. Markus Dederich von der Universität Köln. Er ist Experte in der Sonder- und Heilpädagogik, studierte Soziologie, Musik und Philosophie in Bonn. 1996 promovierte er, 2001 folgte die Habilitation. 2000 und 2001 hatte er die Vertretung der Professur für geistig Behinderte in Würzburg vertreten. Dr. Dederich hat umfangreiche praktische Erfahrungen in vielen Praxisfeldern mit Veröffentlichungen zur Musiktherapie. In seinem Vortrag betont er, dass Behinderung kein Wesensmerkmal ist, sondern gesellschaftlich konstruiert. Ebenso hat er das aktuelle Handlexikon zur Behindertenpädagogik mit herausgegeben.
Inklusion ist ein sehr emotionales Thema, das auch polarisiert. Diskussionen über Inklusion kommen schnell in Gang, scheinbar gibt es nur ein Dafür oder Dagegen. Diese Pro- und Contra-Argumente werden ebenso erschwert durch Forschungsbefunde, die heutzutage existieren, so zum Beispiel welche Aspekte beim Thema Inklusion bereits gut laufen, wie im gemeinsamen Unterricht, wo es noch Probleme gibt und was noch verbessert werden muss. Dies zeigt auf, dass es einen Streit über die richtige Interpretation der empirischen Befunde gibt. Es ist nicht einfach über Inklusion zu sprechen, der Fachtag erörterte kein Dafür oder Dagegen. Seit den 1970er Jahren wird in Deutschland über Inklusion gesprochen. Man redete damals von Integration, nicht von Inklusion. Die Diskussion fing damals an mit dem Bezug zur Schule und der Frage, ob Kinder mit Beeinträchtigung in eine Sonderschule müssten oder ob es die Möglichkeit einer Mischklassen gäbe. Die Diskussion wird heute breiter geführt als noch vor 10 Jahren, was auch mit der UN-Behindertenrechtskonvention zusammenhängt. Diese ist ein starker Motor der Entwicklung in Deutschland sowie in einigen der Länder, die diese Konvention unterzeichnet haben. 2009 ratifizierte Deutschland diese Konvention und beschloss mitzumachen. Dies bedeutet, dass innerhalb Deutschland Teilhabe ermöglicht werden sollte, Einrichtungen sollten weitgehend barrierefrei werden. Bereits seit 2006 gibt es ein „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung“. Die Idee dahinter ist, dass Menschenrechte für alle gleich sind – egal wer sie sind oder woher sie kommen. Problem ist jedoch, dass sich nach wie vor die Geister streiten, was Inklusion bedeutet. Eine Reihe von Theoretikern sagen, ein Besuch einer Förderschule sei weder Ex- noch Inklusion, sondern eine spezielle Form der Inklusion in das Bildungssystem. Doch der Inhalts des Wortes Inklusion ist nicht mehr mit konkretem Inhalt gefüllt.
Inklusion: „Menschen, die irgendwie passen, werden aufgenommen“?!
Inklusion will keine Assimilation, denn Inklusion ist keine Strategie, Menschen in Systeme und Strukturen der Gesellschaft einzupassen. Es geht vielmehr um die Transformation solcher Systeme mit dem Ziel, es für alle besser zu machen. Es geht auch nicht um Etikettierungen, wenn Menschen oder auch Gegenstände Schilder angehängt werden und gesagt wird, dieser sei jenes oder anders. So gibt es auch Etikette wie „Downsyndrom“ et cetera, doch genau solche Etikettierungen verhindern Inklusion, weil Menschen etwas angeheftet wird und sie dadurch in eine Schublade gesteckt werden und ihnen somit etwas Negatives angeheftet wird. Dies macht die sprachphilosophische Problematik deutlich: Sind manche Begriffe schädlich und verhindern sie die Inklusion? Oder fördern sie diese? Inklusion setzt sich dafür ein, dass Menschen nicht an den Rand gedrängt oder ausgeschlossen werden. Alle sollen am Leben der Gesellschaft teilhaben können während Menschen mit Beeinträchtigung nicht mehr als eindeutig abgrenzbare Gruppe betrachtet werden. Alle Möglichkeiten, wo Unterschiede festgemacht werden können, sollen in der Inklusion berücksichtigt werden. Auch die UN-Behindertenrechtskonvention bezieht sich auf die Gleichwertigkeit: Menschen sind einerseits total unterschiedlich, jeder ist einzigartig und einmalig, wer immer er sei. Aber wir alle sind dennoch gleich, nämlich darin, dass wir alle gleichwertig sind. Inklusion stellt sich vor, dass alle voneinander lernen und sich mit Respekt begegnen. Oftmals aber ist dies nur ein Wunschgedanke – schließlich muss man sich weiterhin auf unterschiedliche Bedürfnisse einrichten. Inklusion heißt hier, bestimmte Werte einzugestehen. Inklusion leben heißt zu versuchen, sich gemäß bestimmter Werte im Alltag zu verhalten, mit Offenheit und Respekt. Es braucht eine Wertschätzung von Verschiedenheit, Gleichheit und Gerechtigkeit. Es wird auch die Frage gestellt, wo Gleichbehandlung und Ungleichbehandlung nötig ist. Für Dederich gibt es nur eine Lösung: Man muss auf individuelle Bedürfnisse eingehen. Es wird im Laufe des Tages schnell klar, dass Inklusion eben nur dann gelingt, die praktische Umsetzung jedoch noch weit davon entfernt ist. Schreiben oder reden verschiedene Menschen über Inklusion, meinen sie oft sehr verschiedene Dinge, wodurch ein Verstehen des Begriffs erschwert wird. Auch lehnen sich Befürworter und Gegner der Inklusion oft gegenseitig ab. Oft ist es nicht klar, was das Wort Inklusion genau bedeutet, was getan werden muss, damit beispielsweise Schulen inklusiv werden.
Inklusion hat meistens etwas mit Emotionen zu tun, oftmals herrschen Berührungsängste. Es wird von Inklusion gesprochen, dabei leben wir in einer hochselektiven Gesellschaft, denn Menschen werden zu oft aufgrund ihrer Leistung bewertet. Der Fachtag zeigte, dass Inklusion eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft und Politik ist, nicht nur der Schulen und Betriebe. Es ist ein Prozess, der nicht statisch ist, sondern an dem immer weiter gearbeitet wird und werden muss. Ebenso muss an Möglichkeiten des Ausschlusses gearbeitet werden, auch dies zu erkennen und diesen entgegen zu steuern.