Nichts scheint gerade hitziger diskutiert zu werden, als Gregor Jansens SWR2 Messetalk auf der art Karlsruhe. Jansen ist Direktor der Kunsthalle Düsseldorf. In seinem Talk kritisiert Jansen stark die Inklusion: Gregor Jansen ist genervt von Leichter Sprache und meint, im Bildungsbereich sollte Höchstleistung auch Höchstleistung sein dürfen. Sein Vergleich: Einem Leistungssportler würde man auch nicht sagen, er solle mal bei einem Wettkampf langsam machen: „Streng dich nicht so an, ist egal. Dabei sein ist alles.“
Hier die Aussage im Wortlaut:
Leichte Sprache wird in Jansens Augen lediglich genutzt, um Schwellenängste abzubauen oder Vermittlungsarbeit zu propagieren. Dabei heißt Leichte Sprache im Museum nicht, dass sich weder Mitarbeiter noch Besucher anstrengen. Im Gegenteil, dies ist ein Zusatz im Vermittlungsangebot. Auf der einen Seite ist es eine Aufgabe, wissenschaftliche Texte in Leichter Sprache zu verfassen. Auf der anderen Seite heißt es nicht „Ich habe keine Lust mein Gehirn anzustrengen, deshalb lese ich den Text in Leichter Sprache.“ Nein, Herr Jansen, es gibt tatsächlich Menschen in unserer Gesellschaft, die auf diese Texte angewiesen sind, die nicht diese hochelitären Texte verstehen, sondern für die das Wissen darin auf das Wesentliche herunter gebrochen werden muss. Es ist Ihre Aufgabe als Direktor einer Kultureinrichtung diese Kunst allen zugänglich zu machen! Sport darf auch jeder machen, egal, ob er gerade damit anfängt oder schon seit Jahren professionell Sport betreibt oder dies lieber nur in der Freizeit tut. Dies ist aber auch unabhängig von der eigenen Fitness, denn egal, ob man körperlich beeinträchtigt ist oder nicht: Jeder darf Sport machen! Wie soll es denn Hochleistungssportler geben, wenn man nicht klein anfangen darf? Wie soll man die Kunst verstehen, wenn man nicht auch von Null anfangen kann und an die Hand genommen wird und die Kunst erklärt bekommt? Dürfen es dann nur noch die Olympischen Spiele geben, aber nicht mehr die Paralympics?
Bildung nur für die Elite?!
Diese Art der Vermittlung mit Hochleistungssport zu vergleichen, ist stark an den Haaren herbeigezogen. Hier geht es um Vermittlung und nicht um Leistung. In unserem Bildungswesen gibt es beispielsweise diverse Schulsysteme: Gymnasium, Realschule, Hauptschule und Sonderschule. Das heißt, hier gibt es auch verschiedene Wege der Vermittlung. Würden wir die Denkweise von Herrn Jansen übernehmen, dürfte es kein Wiederholen einer Klasse geben, kein individuelles Eingehen auf Schüler seitens der Lehrkräfte. Und wer schlichtweg nicht in die diversen Schularten passt, wird auch einfach ausgeschlossen? Der darf dann keine Schulbildung genießen und gefördert werden? Ein sehr elitäres Denken.
Herr Jansen setzt also Höchstleistung mit elitärer Komplexheit gleich. Wetten, er hat noch nie versucht, komplexe Inhalte in leichter Sprache zu erklären? Das geht. Ist halt eine Höchstleistung.
— RolliFräuleinelfe (@RolliFraeulein) February 24, 2018
Laut Jansens Aussage ist Leichte Sprache keine Höchstleistung. Das geht sehr hart gegen diejenigen, die auf Leichte Sprache angewiesen sind. Dürfen Blinde dann auch nicht mehr ins Museum, weil sie das Ausgestellte ja eh nicht sehen? Ziemlich hohes Ross, auf dem Herr Jansen da sitzt. Inklusion setzt sich dafür ein, dass Menschen nicht an den Rand gedrängt oder ausgeschlossen werden. Alle sollen am Leben der Gesellschaft teilhaben können, während Menschen mit Beeinträchtigung nicht mehr als eindeutig abgrenzbare Gruppe betrachtet werden. Leider zeigt dieses Beispiel wieder, in welch hochselektiver Gesellschaft wir leben und dass Menschen zu oft aufgrund ihrer Leistung bewertet werden. „Museum für Bildungsbürger“ war mal – mittlerweile sind wir in der Ära „Museum für alle“! Es geht hierbei nicht darum, nur den einen Vermittlungsansatz anzubieten – weder nur für Profis noch nur in Leichter Sprache oder nur per AudioGuide. Wir brauchen Inklusion und keine Exklusion! Aber was Herr Jansen fordert, bedeutet, dass es nur noch für die Elite Texte geben wird. Dann gibt es keinen Ansatz mehr für Menschen mit Sehschwäche, körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung, um Kunst für alle zugänglich zu machen. Jansens Zielgruppe scheint eine sehr kleine zu sein, eben nur Bildungsbürger der Extraklasse. Was ist denn eigentlich mit Kindern? Die können sicherlich nicht Jansens „Hochleistungstexte“ verstehen. Inklusion bedeutet nämlich auch, dass jeder mit macht und keiner mehr draußen bleiben muss!
Das eine schließt das andere ja nicht aus. Texte in leichter Sprache zu verfassen ist übrigens nicht nicht so einfach.
— InfoPoint (@infopointaudim) February 24, 2018
Inklusion bedeutet Menschenrechte
Bereits seit 2006 gibt es ein „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung“: Menschenrechte sind für alle gleich – egal wer sie sind oder woher sie kommen. Seit 2009 ist Deutschland Teil der UN-Behindertenrechtskonvention. Dies bedeutet, dass innerhalb Deutschlands zum einen Teilhabe ermöglicht werden soll, zum anderen sollten Einrichtungen weitgehend barrierefrei werden. Inklusion will keine Assimilation, denn Inklusion ist keine Strategie, Menschen in Systeme und Strukturen der Gesellschaft einzupassen. Es geht vielmehr um die Transformation solcher Systeme mit dem Ziel, es für alle besser zu machen. Es geht auch nicht um Etikettierungen, wenn Menschen oder auch Gegenstände Schilder angehängt werden und gesagt wird, dieser sei jenes oder anders. So gibt es auch Etikette wie „Downsyndrom“ et cetera, doch genau solche Etikettierungen verhindern Inklusion, weil Menschen etwas angeheftet wird und sie dadurch in eine Schublade gesteckt werden und ihnen somit etwas Negatives angeheftet wird. Und als Menschenrecht geht Inklusion alle Menschen an, nicht allein diejenigen, die ausgeschlossen sind. Denn Menschenrechte bauen darauf auf, dass jeder Mensch den anderen als Gleichen respektiert und sich deshalb solidarisch für die Rechte der anderen einsetzt. „Wer Inklusion will, findet Wege, wer sie verhindern will, sucht Begründungen.“ Dieses Zitat stammt von Hubert Hüppe, dem ehemaligen Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen.
Bildquelle: Screenshot aus dem SWR2 Messetalk
Wenn Hr. Jansen von „Höchstleistung“ spricht, ist für mich die Frage, welche Leistung denn die Kunsthalle Düsseldorf seiner Meinung nach erbringt? Wenn die Leistung darin besteht, sich durch besonders elaborierte Sprache hervorzuheben, dann geht das in Leichter Sprache nicht. Aber solche Höchstleistungen würde ich die Steuergelder lieber sparen. Alle anderen Zwecke von Museen erreicht man auch und gerade mit Leichter Sprache.