Die erste Museumszeitschrift erschien im 16. Jahrhundert, der Deutsche Museumsbund wurde 1907 gegründet und im angelsächsischen Sprachraum ist die Museumswissenschaft schon längst eine anerkannte und etablierte Disziplin. Die Museumsbranche erfährt eine Professionalisierung, in der ein Museum immer mehr auch als Kulturbetrieb angesehen wird. So startete die Julius-Maximilians-Universität Würzburg zum Wintersemester 2010/2011 den Bachelorstudiengang „Museologie und materielle Kultur“. Damit ist Würzburg die erste und einzige Universität in Deutschland an der man Museologie studieren kann. Attraktivität gewinnt die Professur für Museologie auch durch die diversen Weiterbildungsmöglichkeiten: drei Masterstudiengängen setzen unterschiedliche Schwerpunkte. Außerdem besteht hier deutschlandweit die einzige explizite Möglichkeit zur Promotion im Bereich der Museologie und Museumswissenschaft.
Studium: Aufbau, Verlauf, Inhalte
In der Regelstudienzeit von sechs Semestern werden alle Bereiche der Museumwissenschaft und der Museologie abgedeckt: Sammeln, Bewahren, Dokumentieren, Forschen, Vermitteln und Ausstellen. Im Detail bedeutet dies, dass neben der historischen Betrachtung des Museums- und Ausstellungswesens aktuelle Forschungsansätzen und Methoden der Museologie in den Blick genommen werden. Aber auch die Arbeitsprozesse und –bereiche eines Museums werden theoretisch und praktisch erfahrbar gemacht: Neben den Prinzipien des Sammelns steht das Inventarisieren und Erforschen von Objekten samt ihrer Erhaltung, die Vermittlung der Exponate durch Präsentation und Museumspädagogik im Vordergrund. Abgerundet wird das Profil durch die Auseinandersetzung mit Öffentlichkeitsarbeit, Sammlungs- und Kulturmanagement.
Museologie-Studierende beim Erarbeiten eines Affinity Diagram / © Professur für Museologie
Die Studiengangsbezeichung „Museologie und materielle Kultur“ verweist neben der Auseinandersetzung mit fachlichen Diskursen und Entwicklungen auf die Materialkunde. Diese bezieht die Aspekte des Kulturgüterschutzes ebenso wie die theoretische Ansätze der sogenannten „Material Culture Studies“ mit ein und stellt einen von zwei Schwerpunkten dar. Der zweite Schwerpunkt ist das „Forschende Ausstellen“. Dieser wird durch das Ausstellungsprojekt im fünften und sechsten Semester, das in Zusammenarbeit mit externen Kooperationspartnern stattfindet, vermittelt. Durch Übungen in den vorangehenden Semestern – zum Beispiel dem Schreiben von Museumstexten – werden die Studierenden auf dieses als „Gesellenstück“ zu bezeichnende kuratorische Projekt vorbereitet. Neben den 120 Punkten des Museologie-Studiums müssen die Studierenden dann noch ein Quellen- oder Kernfach mit einem Umfang von 60 Punkten belegen, das dem Erwerb vertiefender fachspezifischer Kenntnisse dient. Verglichen mit der Museologie verfolgen diese meist ein anderes Erkenntnisziel und ergänzen sich mit der Museumspraxis. Häufige Kombinationen sind Kunstgeschichte, Geschichte, Europäische Ethnologie, Archäologie, Digital Humanities und (Kunst-) Pädagogik, aber auch andere Kombinationen sind möglich.
Museologie: Praxis und Praktikum
Praxis wird in der Professur für Museologie großgeschrieben. Neben dem zehnwöchigen Pflichtpraktikum und der Möglichkeit im Wahlpflichtbereich Praktika zu absolvieren, bietet das Museologie-Studium in Würzburg vielseitige Möglichkeiten anwendungsorientierte Erfahrungen in der Museumsbranche zu erlangen. In jedem Semester gibt es die Möglichkeit praxisorientierte Seminare und Workshops mit externen Kooperationspartnern wie Museen und anderen Kultureinrichtungen zu besuchen. Die daraus resultierenden Kontakte sind später stets von Vorteil.
Ausstellungseröffnung und Exkursionen im Rahmen des Museologie-Studiums / © Professur für Museologie
Aber auch die Wissenschaft kommt nicht zu kurz – die Studierenden werden angeregt, Tagungen und Workshops zu besuchen und aktiv daran teilzunehmen, um so frühzeitig ein Blick in die Fachwelt zu bekommen. Dank diverser Kooperationen mit inner- sowie außereuropäischen Hochschulen und Museen haben Studierende an der Professur für Museologie im Rahmen eines Auslandsemesters, Praktika oder Exkursionen die Möglichkeit, einen Blick über ihren sonst eher auf Bayern fokussierten Tellerrand zu werfen.
Museologie und materielle Kultur: Umsetzung im Museumsalltag
Ein Museologie-Studium in Würzburg scheint also schon im Bachelor auf die Arbeitswelt im Museums- und Kultursektor vorzubereiten. Im Grunde ist dies wirklich der Fall, nicht nur weil viele der Dozierenden selbst mehrere Jahre im Museum tätig waren, sondern auch weil die im Studium erworbenen Techniken und Inhalte in der Praxis tatsächlich Anwendung finden. Dies wird in den studiumsbegleitenden Praktika deutlich. Nicht vergessen werden darf aber, dass im Studium, beispielsweise die Inventarisierung betreffend, Idealvorstellung gelehrt werden, die sich aus den unterschiedlichsten Gründen in der Praxis häufig nur abgewandelt wiederfinden. Sicherlich wird auch nicht jeder, der einmal in seinem Studium eine Ausstellungskritik geschrieben hat, dies nochmals machen. Aber der Bachelor dient dazu alle Grundkenntnisse der Museumsarbeit abzudecken und einen Anhaltspunkt für die weitere Orientierung zu geben. Die von der Professur vertretene Wunschvorstellungen, dass die Bachelorabsolventen direkt in die Museumswelt starten, ist bisher weniger der Fall. Überwiegend muss für den Berufseinstieg mindestens ein Masterstudium absolviert werden, auf das immer noch ein Volontariat folgt.
Museologie studieren in Würzburg: Eine Reflektion
Der Bachelorstudiengang „Museologie und materielle Kultur“ überzeugt durch seinen hohen Grad an Praxis, der sonst an Universitäten oftmals wenig Raum findet und durch die vielseitigen Möglichkeiten für die Wahl des Masterstudiums in Würzburg. Bevorzugt man aber einen Tapetenwechsel, hat man die Möglichkeit sich mit Studiengängen wie „Kulturmanagement“ oder „jüdische Museologie“ weiter zu spezialisieren. Aber auch die Vertiefung des Quellenfaches ist eine Möglichkeit. Sehr zu schätzen lernt man auch die durch die Anzahl der Studierenden und Dozierenden bedingte familiäre Atmosphäre, wodurch die ein oder andere kreative Seminarsitzung resultiert. Aber nicht zu vergessen ist die Stadt Würzburg, die durch ihre stark studentische Prägung viel kulturelle sowie gesellschaftliche Dynamik besitzt und offen für studentische Projekte ist. Zu bedauern ist allerdings die, verglichen mit anderen Städten in denen Museologie gelehrt wird, weniger stark ausgeprägte Museumslandschaft.
Infobox
Studiengang: Museologie und materielle Kultur
Universität: Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Akademischer Grad: Bachelor of Arts
Voraussetzungen: zulassungsfrei; allg. Hochschulreife oder gleichwertiger Abschluss
Beginn: jährlich zum Wintersemester
Regelstudienzeit: 6 Semester
Bildquelle: Meramo Fischer
Das ist ja mal ein informativer, sorgfältig mit Liebe zum Detail geschriebener Artikel. Vielen Dank! 🙂