Digitalisierung – dieses Schlagwort steht seit langem im Fokus der Diskussion über die Zukunft der Museen. Doch die Nutzung neuer Technologien ist für viele kleine und mittlere Museen bislang reine Zukunftsmusik. Auch große Häuser wissen nicht, ob es besser ist, abzuwarten oder erst einmal überall mitzumischen, um keinen Trend zu verpassen. Gefragt ist mehr denn je eine digitale Strategie, eine bewusste Entscheidung, was in der virtuellen Welt erreicht werden soll und was sich Museen hierbei leisten können. Diese Fragen wurden am vergangengen Wochenende auf der Tagung „Digitales Sammlungsmanagement“ des Museumsverbands Baden-Württemberg diskutiert.
Die Digitalisierung gilt als ein Megatrend, der bereits seit zwei Jahrzehnten beschworen wird. Digitalisierung bestimmt unseren Alltag, unser Denken und unsere Wahrnehmung. Dies ist uns jedoch noch nicht vollumfänglich bewusst. Die Digitalisierung geht außerdem an den Kern der Museumsdefinition, denn sie bewahren die originale welt und nicht (nur) das virtuelle. Doch wie bekommt man dies miteinander verbunden, welche Chancen und Risiken bestehen hierbei? Obwohl Museen das kulturelle Erbe bewahren, gehören sie dennoch nicht zu den Vorreitern dieses Digitalisierungs-Trends – dabei gibt es doch so viele Möglichkeiten. Wo drückt also der Schuh bei den Museen? Museen geben hierbei immer wieder die Digitalisierung an, allerding zumeist mit unklaren, schwammigen Aussagen. Sie haben nicht genügend Zeit, neben all den Aufgaben auch noch die Digitalisierung zu bewältigen. Museen müssen laufend in der öffentlichen Wahrnehmung präsent sein, überall Werbung machen, auf allen (!) Kanälen, um präsent zu sein.
Die eigene Sammlung im Griff haben
In der momentanen Legislaturperiode liegt der Schwerpunkt der Baden-Württembergischen Landesregierung in Bezug auf Museen auf der Digitalisierung. Allmählich erhält die „Digitale Kultur“ Einzug in den Museumsbereich, wobei kleinere und mittlere Museen jedoch definitiv Nachholbedarf haben. Das Städel Museum in Frankfurt ist hierbei zwar vorbildhaft, doch alle können auf diesem Niveau nicht mithalten. Der Fokus liegt in der heutigen Zeit auf der Erfassung des Bestands und auf der Online-Publikation. Zwar gibt es Leitfäden wie OpenUP, doch jedes Museum sollte ein individulles Digital-Programm entwickeln. Digitalisierung ist eine Art virtuelle Dokumentation und Vernetzung, das Objekt wird mit unterschiedlichen Techniken beschrieben und bewahrt. Was erwartet die Museen also? Ist Kunst irgendwann nur noch in der digitalen Welt vorhanden? Wenn alle nur noch in ihrer Smartphone-Welt leben und Museen nach wie vor Verfechter der analogen Welt sind, was passiert dann mit den Museen? Und ist das Betrachten von realen Objekten die Technik von gestern? Auch mit diesen Fragen müssen sich Museen auseinandersetzen. Sie müssen die Chancen der Digitalisierung annehmen. Durch diese ist eine vollumfängliche Erschließung von Beständen möglich – auch die Objekte im Depot! Hierbei werden partizipative Ansätze ermöglicht, es herrscht ein reger Wissensaustausch. Neben einer seriellen Auswertung und neuen Forschungsansätzen kann die Digitalisierung vor allem auf authentische Objekte aufmerksam machen. Denn auch kleine Museen können so ihre Bestände der breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Allerdings gehen mit diesem Thema auch Probleme einher. So mangelt es an Ressoucen für die Digitalisierung an Museen, es sind kaum Leitfäden vorhanden und Förderprogramme für die Digitalisierung und Aufbereitung von Sammlungen kommen zu kurz. Ein wichtiger Punkt ist weiterhin die ungeklärte Bildrechtfrage: Darf ich es überhaupt online zugänglich machen? Die unterschiedlichen Zielgruppen und Qualitätsansprüche der Museen ist ebenfalls zu berücksichtigen. Was jedoch ein unglaublicher Vorteil ist: Durch die Digitalisierung wird eine Vernetzung der Daten mit großen Plattformen möglich.
Das erweiterte Museum: Besucher-User
Ein weiterer Vorteil des Digitalen im Museumsbereich ist die fast grenzenlose Kommunikation mit dem Besucher. Besucher treten mit der Sammlung in Konversation. Durch die Digitalisierung ist dies auch andersrum möglich, denn das Digitale erweitert den Lernort Museum. Es gilt hierbei mittlerweile die These „Je mehr Leute die Website anzieht, umso mehr kommen ins Museum.“ Der Besucher ist Visitor und User zugleich, doch vielen ist dieser „Besucher-User“ noch fremd und suspekt. Doch dieser will sich doch nur einbringen. Hier gilt der Appell an Museen, das auch zu nutzen. Das Digitale ermöglicht hierbei ein erweitertes Museu, das nicht mehr exklusiv ist. Zu beachten bei der Online-Publikation ist aber, dass die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne acht Sekunden beträgt. In diesen acht Sekunden müssen die benötigten Informationen geliefert werden, sonst verlässt der Besucher-User ganz schnell wieder das erweiterte Museum! Zu beachten ist, dass das größte Publikum tatsächlich über die digitalen Medien kommt. Das Metropolitan Museum of Art beispielsweise kann sechs Millionen Besucher aufweisen – online sind es jedoch 40 Millionen! Im Rijksmuseum werden 8.000 Objekte in der Schausammlung ausgestellt – und online können sie eine stolze Sammlung von 590.000 Objekte vorweisen. Sie erkennen schon den Trend der „Digital Culture“? Dann blicken Sie ruhig auch mal nach London!
Prä-digital vs. Städel
Doch auch diverse Museen in Deutschland können bereits eine breite Masse an online-Publikationen der Objekte vorweisen. Zwar scheint es oftmals, als würden alle Museen derzeit ihre Datenbanken füllen, ohne zu wissen, was danach mit den Datensätzen passiert, doch immerhin ist ein Fortschritt zu bemerken. Die Staatlichen Kunstsammlungen zu Dresden (SKD) umfassen 14 Museen. Anfang 2000 zählten sie zu den Pionieren der Digitalisierung. Es wurde das Projekt DAPHNE gemeinsam mit Robotron entwickelt, das rund 1,5 Millionen Euro Fördermittel erhielt und mit circa 200.000 Euro Eigenmittel ergänzt wurde. Obwohl sie damals zur Avantgarde zählten, haben sie heute erst den allgemeinen Stand von 2007 erreicht. Bei der Bereitstellung der digitalen Objektangaben ist aber auch zwischen der Bild- und Datenqualität abzuwägen und die Frage zu klären, was hier gegebenenfalls wichtiger ist. Reicht hier nicht auch einfach ein Arbeitsphoto oder müssen es professionelle Bilder sein? Ist ein lückenhafter Datensatz womöglich Anregung für die Forschung? Im Folgenden werden hierzu ein paar Gedanken zusammengefasst:
- Die Datenbank sollte Grundlage für alle anderen Anwendungen sein – sei es Online-Publikation oder museumspädagogische Extras.
- Spezialdatenbanken werden nicht benötigt und sollten nicht weiter verfolgt werden: Eine einzige, gut gepflegte Datenbank reicht völlig aus!
- Frage nach der Zugänglichkeit: Soll die Datenbank auch für externe Wissenschaftler geöffnet werden?
- Website kann ein Forschungskanal sein, auf dem die Wissenschftler präsent sind und ihre Ergebnisse auf einem Blog veröffentlichen können.
Die SKD gehen sogar so weit, dass sie ihr Jahrbuch zu einem digitalen Journal werden lassen. Gibt es hier also einen Wandel, der Drucke und weitere analogen Medien vertreibt? Auch das Städel stellte sich die Frage, wie man digitale Sammlungen ins Netz stellt. Die Sammlung umfasst 700 Jahre Kunst, aufgeteilt in die Abteilungen Alte Meister, Kunst der Moderne sowie Gegenwartskunst. Sie orientierten sich an dem Stichwort „inhome entertainment“, das ja bereits beim Lieferservie anfängt, denn die Menschen wollen Informationen mobil und von Zuhause aus abrufen können. Das Städel bietet seinen Besuchern zwar einen Audio-Guide mit 30 Stunden Material, doch bei Umfragen kam heraus, dass Besucher noch mehr Informationen wollen. So stand für das Städel fest, dass sie zwischen „Besucher“ und „Besuch“ unterscheiden müssen. Sie änderten ihre Strategie, gingen weg von Zielgruppen und hin zu Besuchsanlässen. Der Bildungsauftag des Städel, der mit Stiferbrief Grundlage bekam, sieht Bildung für alle vor, also auch für junge Menschen. Und eben dieser Bildungsauftrag wird beim Städel auch im Digitalen fortgeführt. Es wird lediglich ein Prozent der Objekte ausgestellt, während die Sammlung digital komplett zugänglich ist. Dieses Beispiel zeigt, dass die Technologien genutzt werden sollten, um die Kernaufgaben des Museums zu unterstützen.
Fazit: Digitalisierung, aber wie?
Aktuell stehen im Museumsbereich wieder traditionalle Aspekte im Mittelpunkt, denn beispielsweise ist das Schaumagazin wieder en vogue. Allerdings ist das Verlangen nach Digitalem hochaktuell. Flaggschiffe wie das Städel werden mit großen Augen bestaunt, jeder will die Online-Präsentation des Städel auch haben – wenn auch nur ansatzweise. Es wird kopiert und abgeschaut was das Zeug hält, Social-Media-Aktionen werden nachgemacht, WLAN findet ebenfalls immer mehr Einzug in die Häuser. Das Städel bietet alles: traumhafte Website, eigener Blog über Werke und Projekte, Social-Media (nicht nur sie selbst, sondern auch das Publikum), kostenloses WiFi (das von 17% der Besucher genutzt wird), App mit Bilderkennung im Haus, Digitorials für Sonderausstellungen zur Vor- und Nachbereitung – gefühlt haben sie alles! Bevor jedoch feststeht, dass das digitale Programm des Städel kopiert wird, sollten grundlegende Dinge wie die Tiefenerschließung geklärt werden. Weit weit gehe ich in der Tiefenerschließung oder reichen erst nur Eck-/Grunddaten, die später ausführlich ergänzt werden? Die Frage ist weiterhin, ob digitale Programme zurück zum materiellen Objekt führen, dennoch bringen sie vor allem Verbreitung und neue Ideen zum Objekt. Ja, wir brauchen die Digitalisierung im Museum – in allen Bereichen! Wer online nicht präsent ist, exisitiert in der realen Welt nicht. Suche nach Museen und Objekten erfolgt mittlerweile fast ausschließlich über das Internet, kaum einer setzt sich mit Telefonbüchern hin und sucht speziell danach. Fest steht aber auch, dass vor der Digitaliserung ein wichtiger Schritt nötig ist: Die Unterstzützung dabei! Viele Museen – gerade kleine und mittlere – haben oft nicht die Mittel, das Personal ist von der alten Schule, die Zeit zu knapp, das digitale Wissen zu wenig. Sie müssen an die Hand genommen und integriert werden. Wir müssen weg von der globalen Idee, der Fokus steht auf dem eigenen Haus. Was will ich? Was kann ich mir als Museum leisten? Wie wird es von den Besuchern genutzt? Wenn Sie diese Frgen beantwortet haben, sind Sie schon ein ganzes Stück weiter!
Sie haben als Museum Fragen zur Digitalisierung und Online-Publikation etc. der eigenen Bestände? Dann melden Sie sich bei uns!
Bildquelle: dschap (Pixabay)