Im Rahmen des 34. Deutschen Kunsthistorikertags, der vom 8. bis 12. März 2017 in Dresden unter dem Thema „Kunst lokal – Kunst global“ stattfand, war eine Podiumsdiskussion zur Zukunft des Museums vorgesehen. Diese wurde auch am 14.03.2017 im MDR übertragen und von Karl-Siegbert Rehberg moderiert. In den Räumlichkeiten des Albertinums diskutierten Marion Ackermann, Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Monica Juneja, Inhaberin des Lehrstuhls für Global Art History an der Universität Heidelberg, Barbara Welzel, Inhaberin des Lehrstuhls für Kunstgeschichte an der Technischen Universität Dortmund und Pia Müller-Tamm, Direktorin der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Im Folgenden sollen die Ideen und Gedanken dieser Diskussion zusammengefasst werden:
Die Zukunft des Museums: Ein radikaler Umbruch?
Eigentlich stehen die Zeiten günstig für Museen, vor allem für die kunsthistorischen, denn wir befinden uns in einem visuellen Zeitalter, ständig umgeben von Bildern und immer neuen, visuellen Sinneseindrücken. Trotzdem sind die Museen gleichzeitig in einer Phase, in der diese und ihre Relevanz neu denken und beweisen müssen, denn die Zeiten der Wandelhalle für ein elitäres Bildungsbürgertum scheinen vorbei zu sein. Doch wie kann das erreicht werden? Entscheidend ist, dass die Exklusivität und Ehrfurcht, die von den Institutionen ausgeht, weiter aufgebrochen wird und Museen zu einem Ort des Austausches und der Diskussion werden – für die ganze Gesellschaft! Um das zu schaffen, können die Museen in Deutschland viel von anderen Ländern lernen, die deutlich radikalere Ideen umsetzen, wie beispielsweise in Brasilien, wo zum Teil die Kuratoren selbst in ihren Ausstellungen präsent sind und zum persönlichen Diskurs bereit stehen. Auch der Umgang mit den Sammlungen muss sich ändern: Wichtig ist, dass Museen nicht bei der eingefahrenen Klassifizierung der Objekte bleiben, sondern diese immer neu und übergreifend kontextualisieren und so Grenzen und Einteilungen auflösen. Zumindest dürfen diese nicht darauf reduziert werden, damit Objekt- und Forschungsgeschichte durchsichtig und erlebbar wird.
Barrierefreiheit für junge Menschen
Wichtig ist auch die Frage nach dem Besuchernachwuchs: Tun wir etwas dafür, dass junge Menschen die Museen möchten? Spielen Museen in der Lebenswirklichkeit junger Menschen eine Rolle? Die Hauptzielgruppe für Museen sind immer noch Menschen zwischen 50 und 70 Jahren und dieses Publikum wird auch erhalten bleiben. Doch auch junge Menschen müssen als potentielle Besucher in den Fokus rücken, da sie besonders auch für die Zukunft wichtig sind. Was kann hierfür getan werden? Wichtig ist, dass Museumsbesuche beispielsweise mit der Schule ein Erlebnis sind, das die SchülerInnen positiv im Gedächtnis behalten. Damit das gelingt, ist es nötig, dass eine direkte Zusammenarbeit der verschiedenen Bildungsinstitutionen gegeben ist. Hierfür müssen sich auch die Ausstellungskonzepte ändern. Museen dürfen nicht nur große Ausstellungen machen, sondern sie müssen ein Austauschort für junge Menschen sein. Hierfür gilt es Barrieren abzubauen, dazu zählt einerseits eine abschreckende Erhabenheit, die von Museen und Ausstellungen ausgeht, genauso wie das Fehlen von gleichaltrigen Gleichgesinnten, das vor allem auch mit einer finanziellen Hürde verbunden ist. Andere Orte der Freizeitgestaltung, wie beispielsweise Einkaufszentren, sind kostenlos und für Heranwachsende und StudentInnen reizvoller. Eine Änderung der Preispolitik wäre ein wichtiger Schritt in Richtung Barrierenabbau und ginge auch nicht mit Einnahmeverlusten einher, denn dadurch könnte eine neue Besuchergruppe erschlossen werden.
Museen können Ausdruck von Identität sein oder, anders gesagt, ein Zugehörigkeitsgefühl vermitteln. Ablesbar ist das beispielsweise daran, dass eine Staatsgründung oft auch mit einer passenden Museumsgründung verknüpft war. Daraus kann man schließen, dass Museen Orte sind, an denen sich Zugehörigkeit manifestiert beziehungsweise für die BesucherInnen erkennbar wird, indem ein Vergleich mit der eigenen Lebensrealität möglich gemacht wird. An eine Angleichung der Ausstellung an den Lebensalltag, beispielsweise durch den vermehrten Einsatz von digitalen Ausstellungseinheiten, ist dabei nicht gedacht. Eine Stärke dieser Institutionen liegt in ihren Objekten und damit der Primärerfahrung, die als Differenzerfahrung im Gegensatz zur digitalen Alltagswelt als Besonderheit bewusst herausgestellt werden kann.Dies bedeutet nicht, dass auf die „Aura“ des Objekts gesetzt werden soll, obwohl bei der Podiumsdiskussion auch Stimmen laut wurden, die verlangten den Objekten zu vertrauen und diese wirken zu lassen, damit BesucherInnen staunen können. Im Gegenteil, Objekte sollten Teil eines deutlichen Narrativs der Ausstellung sein.
Die Zukunft des Museums: Fokus Gesellschaft
Museen sollten in Zukunft Museumsnarrative kenntlich machen, ein Bewusstsein für diese schaffen und klassische Einteilungen in Kategorien entschärfen. Sie sollten in ihrer Allwissenheit dekonstruiert werden und stattdessen versuchen, durch die Narrative Denkanstöße zu geben. Die Ausstellung sollte als Ort der Diskussion und des Austausches dienen, an dem nicht nur eine ältere Generation, sondern die ganze Gesellschaft teilhat und besonders auch junge Menschen, die in einer Hand-in-Hand-Arbeit der Bildungsbeauftragten aller Institutionen an das Museum herangeführt werden und dieses als Ort in ihrer Lebenswelt wahrnehmen. Darüber hinaus ist das Museum Forschungseinrichtung, indem objektnah neue Erkenntnisse für die Wissenschaft gewonnen werden und in Ausstellungen sichtbar gemacht werden. Dieses generierte Wissen sollte dauerhaft zur Verfügung stehen und abrufbar sein.
Bildquelle: Sabine Kroschel (Pixabay)
Mir scheint, die im Titel anklingende dichotomische Wahrnehmung – Kunstgeschichte auf der einen und Museum auf der anderen Seite – ist nicht nur sehr ahistorisch mit Blick auf Entstehung des Faches wie auch mit Blick auf die institutionelle Verortung. Auch die immensen, immer noch viel zu wenig beachteten Potentiale der wissenschaftlichen Sammlungen und ihrer OBJEKTE (über „Kunst“ hinaus) sollten viel stärker nicht zuletzt seitens der Kunstgeschichte beachtet werden. Es geht dabei auch um den fortschreitenden Relevanzverlust des Faches im Konzert der Wissenschaften.
Im Titel sollte eher die Verknüpfung der Kunstgeschichte und des Museums, die unzweifelhaft zusammen gehören und auch historisch eng miteinander verbunden sind, anklingen. Was den Bearbeitungsbereich angeht, gebe ich Ihnen völlig recht, eine stärkere Inblicknahme bisheriger Randgebiete ist wünschenswert. Der Artikel bezieht sich ja auf die Tagung und vor allem die Podiumsdiskussion, bei der die Beteiligten in erster Linie die Kunst und Kunstmuseen im Blick zu haben schienen. Angesprochen wurde jedoch auch, dass die Kunstgeschichte als Disziplin für die Bearbeitung der neueren digitalen Bilderflut möglicherweise Hilfestellung leisten könnte.
Besonders den letzten Abschnitt & die stärkere Einbindung von Jugendlichen & jungen Erwachsenen sollten sich Museumsmacher*innen zu Herzen nehmen, wenn sie auch weiterhin den ein oder anderen Besucher begrüßen möchten. Besonders Ausstellung mit einem hohen partizipativen Anteil & dementsprechenden Social Media – & Marketingaktionen könnten dazu einen Beitrag leisten. Auch Kunstmuseen besitzen hier für Potenzial & sollten sich nicht scheuen dieses (radikaler) zu nutzen. Das Städel in Frankfurt oder auch kleinere Museen wie der Kulturspeicher in Würzburg sind dafür passende Beispiele, an denen ebenso deutlich wird, dass solche Ansätze nicht mit dem von Museumsmacher*innen häufig gefürchteten Verlust an Wissenschaftlichkeit einhergehen.
Das Städel gehört mit seinen avancierten digitalen Anwendungen zu den erfolgreichsten Institute in Deutschland. Aber auf dem Podium heißt es
„An eine Angleichung der Ausstellung an den Lebensalltag, beispielsweise durch den vermehrten Einsatz von digitalen Ausstellungseinheiten, ist dabei nicht gedacht. Eine Stärke dieser Institutionen liegt in ihren Objekten und damit der Primärerfahrung, die als Differenzerfahrung im Gegensatz zur digitalen Alltagswelt als Besonderheit bewusst herausgestellt werden kann.“
Gleichzeitig will man
„nicht bei der eingefahrenen Klassifizierung der Objekte bleiben, sondern diese immer neu und übergreifend kontextualisieren und so Grenzen und Einteilungen auflösen“
Mit den digitalen Medien geht dies besonders gut. Analog und Digital sollten nicht gegeneinander gestellt werden, sondern als sich ergänzende Bereiche angesehen werden.
Aber immerhin: Bei der nächsten Tagung des Museumsbundes geht es um „digital. ökonomisch. relevant. Museen verändern sich!“