Dass Museen nach Facebook und Twitter jetzt auch noch Instagram im Sturm erobern wollen, ist nichts Neues. Doch ist es tatsächlich in Ordnung, diese Medien zu nutzen und dadurch die Ausstellungen und Objekte zu pushen? Sollten sie nicht eher analog erfahren werden statt sie zu „instagramen“ und nur noch digital wahrzunehmen? Aktueller denn je ist diese Diskussion, denn die Künstlerin Kusama spielt regelrecht mit den Social-Media-Kanälen. Sie fordert fast, dass ihre Kunst über diese Plattformen geteilt wird. Wie weit dürfen Museen dabei gehen?
Kurz nachdem das Hirshhorn Museum seine Yayoi Kusama Retrospektive im vergangenen Jahr angekündigt hatte, sagte die Washington Post ihren Lesern, dass sie, wenn sie in einem der kaleidoskopischen Spiegelräume der japanischen Künstlerin ein Selfie aufnehmen, „ein Teil des Problems“ rund um Museen und Instagram seien. „Ich sollte entzückt sein“, schrieb Ramanathan, die Autorin des Artikels, doch stattdessen meinte sie die schmalen Rolltreppen des Museums nie überwinden zu können, nur um die Instagram-Berühmtheit Kusama einmal zu sehen. Ihre Argumentation, dass Instagram-besessene Massen das Museumserlebnis für die wahren Kunstliebhaber ruinieren, ist bei den Kritikern immer häufiger geworden, da immer mehr Museen erlebnisreiche, eindrückliche Exponate mit einbeziehen. Washington hat in den vergangenen Jahren immerhin einen großen Anteil an ihnen: „The Beach“ und „Icebergs“ im National Building Museum, „SONG1“ am Hirshhorn und natürlich „Wonder“ in der Renwick Gallery, woraufhin eine Welle der Diskussion ausbrach, ob social-media-freundliche Exponate „gut für die Kunst“ sind.
Instagram-Ausstellungen: Nur für ‚Exponatgierige‘?
Mittlerweile ziehen diese Instagram-Ausstellungen die verschiedensten Gruppen von Menschen an, die die traditionelle Kunstwelt je gesehen hat. Sie bringen sogar Menschen in Museen, die sonst nie in sie hineingehen würden oder könnten und bringen auch ein neues Leben in die Museen. Während des achtmonatigen Laufs von „Wonder“ zählte das Museum etwa 732.000 Besucher. Die jährliche Besucherstatistik vor „Wonder“ lag etwa bei 150.000. „Ich hätte nie gedacht, dass ich in meinem Leben sehen würde, wie eine Besucherschlange um den Block steht – nur um in ein Kunstmuseum zu kommen“, sagt Nicholas Bell, der Kurator hinter „Wonder“. Dies bedeutet auch, dass mehr Menschen wahrscheinlich wieder in die Museen für weniger sensationelle und für Furore sorgende Ausstellungen gehen. Laut Kritikern wie Ramanathan sind die Neulinge in diesen Zeiten jedoch „Eindringlinge“ und „Exponatgierige“. Sie theoriert, dass sie nur zur Kusama-Ausstellung gehen, um Bilder von sich selbst zu machen, eine Behauptung, die auch während „Wonders“ gemacht wurde. Ja, sie kommen, um die Kunst zu sehen – aber wichtiger für sie ist, dass sie fotografieren und mit der Kunst fotografiert werden. Manchmal ist es schwer zu sagen, wofür sie sich eigentlich interessieren. Ramanathans Artikel beinhaltet nicht die Berichterstattung, die Menschen fragt, warum sie die Exponate besuchen. Aber auch wenn die Massen Leute beinhalten, die nur wegen der Instagram-Likes in die Ausstellung gehen – was macht das aus?
„Jedes Mal, wenn Sie etwas mehr Exklusives dort machen, wird es immer Menschen geben, die das Gefühl haben, dass etwas verloren geht“, sagt Lisa Strong, Professorin für Museumskunde an der Georgetown University. Aber was auch immer einzelne Museumsbesucher auf den Anstieg der partizipativen Exponate verlieren – nämlich leere, ruhige Räume, in denen man die Kunst anstarren kann – wird trivial, wenn letztendlich ihre Vorteile in Betracht gezogen werden. Trotz des Erfolgs von „Wonder“ sagt Bell, dass er seine Social-Media-Freundlichkeit ständig verteidigen muss. Er wurde bombardiert mit Fragen wie: „Aber wäre es nicht eine bessere Erfahrung, wenn die Leute ihre Handys nicht benutzen würden?“ Als Antwort sagte Bell, dass er es vermochte, ein Urteil zu fällen – gut oder schlecht – über die Tausenden von Besuchern, die sich entschieden haben, ein Foto von ihrer Erfahrung auf Instagram zu teilen. Stattdessen positionierte er das Museum als „unparteiische Plattform für Engagement“. Er fragt: „Warum würden wir als moralischer Schiedsrichter fungieren, was ist eine angemessene oder unangemessene Erfahrung im Museum?“
Instagram: bloßer Hype ohne Kunstgenuss oder eine neue Art?!
Hinzu kommt ein weiteres gemeinsames Argument gegen die Verwendung von Social Media in Kunstausstellungen: „Wenn du die Kunst über dein Handy ansiehst, wirst du nicht so erfüllt sein.“ Einige Kritiker zitieren eine Studie von 2013, die feststellte, dass Leute, die Fotos von Kunst machen, sich nicht so eng mit ihr verbinden und sich später eher nicht daran erinnern. Allerdings betont Strong, dass diese Studie nicht in Erlebnisausstellungen wie „Infinity Mirrors“ durchgeführt wurde, so dass die darin gewonnenen Erkenntnisse nicht bei allen Kunstwerken angewandt werden können. „Die Menschen erleben Kunst auf ganz andere Art und Weise,“ sagt Strong. „Einige Leute haben eine viel bessere Erfahrung und das Verständnis von Kunst ist größer, wenn sie mit ihr in Kontakt treten statt das Objekt einfach nur zu betrachten.“ Im Rahmen der Kusama-Ausstellung des Hirshhorn ist die Tatsache, dass die Menschen ihre Erfahrungen auf Social Media teilen, wohl Teil der Absicht der Künstlerin. Bereits in den 1960er Jahren inszenierte Kusama interaktive und performative Kunstausstellungen, die regelrechte Medienspektakel waren. Sie bemalte nackte Teilnehmer mit bunten Tupfen in der Öffentlichkeit und sorgte eigens dafür, dass große Zeitungen darüber berichteten.
„Das Projekt ‚Polka Dots‘ soll Krankheit symbolisieren“, sagte Kusama 1999 in einem Interview mit dem BOMB Magazine. Genau wie Krankheitsbilder sieht sie auch ihre „Polka Dots“ als eine Art Verbreitung auf ihrem ganz eigenen Weg. Und mit ihren endlosen Spiegelräumen wollte sie durch die „unendliche Wiederholung deines Bildes, das sich bei dir widerspiegelt, ein Erlebnis der ‚Selbstverödung‘ schaffen.“ Priscilla Frank argumentierte einst in der Huffington Post: „Der Begriff der Internet-Viralität folgt dann logisch, mit Bildern von Polka-Dot-Selfies, die sich wie Tupfen selbst über die unendliche Weite des Internets ausbreiten.“ Also, wenn du dich für ein Selfie entschieden hast in einem der eindringenden, kosmischen Spiegelräume und sie auf Social-Media-Kanälen teilst, ist es eine Art an Kusamas Idee der Unendlichkeit teilzunehmen. Während also Kritiken fortgesetzt werden mit dem etwas sinnlosen Argumenten, ob Social Media-freundliche Exponate gut sind für die Kunst und somit auch für die Museen, werden sich solche Exponate jedoch immer weiter häufen und verbreiten. Wie Bell bereits sagte: „Jeder hat eine Kamera in der Tasche, und sie werden sie benutzen, und das Leben wird einfacher sein, wenn du es umarmst.“
Ich glaube, hier wiederholt sich nur die Geschichte zum x. Mal. Ähnliche Reaktionen gab es bestimmt auf die ersten impressionistischen Kunstwerke, auf die ersten Hypes um Pop Art usw. Jetzt gibt es neue Mittel und Möglichkeiten und natürlich werden Künstler sie nutzen und natürlich sollten Museen sie zeigen. Je anstößiger der traditionelle Kunstbetrachter das findet, desto größer wird der Hype darum. Das ist die eine Seite. Die andere ist, dass sich die Art unseres Medienkonsums gerade ändert und das auch in die Museumswelt getragen wird, egal ob man ein Schild „Bitte nicht fotografieren“ anbringt oder nicht. Wenn man das Fotoverbot ernsthaft durchsetzt, existiert man online praktisch nicht. Die Leute, deren Aufmerksamkeit online wecken kann, kommen irgendwann vielleicht auch vor Ort vorbei, denn sie wollen ja ihre eigenen Fotos machen und die Ausstellung mit eigenen Augen sehen. Das gehört inzwischen einfach dazu. Es scheint ja so, als hätten die erwähnten Ausstellungen in hohem Maße ein Publikum erreicht, das sonst nicht in diese Museen kommt. Das ist doch super, denn diese Hemmschwelle ein Museen überhaupt betreten zu wollen, wird so etwas abgebaut. Und irgendetwas von der Ausstellung bleibt immer hängen bzw. hatten die Leute einen unterhaltsamen Nachmittag – und das ist doch auch schön.
Viele Grüße,
Marlene