„MUEXIT – Braucht das Museum die EU?“ – unter diesem Motto stand die sechste alljährliche Tagung des Studienganges „Museumsmanagement und -kommunikation“ der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) auf dem Campus in Berlin-Oberschöneweide. Fünf ExpertInnen aus Politik, Wirtschaft und der Kulturbranche zeigten dem Publikum eindrückliche Beispiele aus ihrer Arbeitspraxis und berichteten von eigenen Erfahrungen mit EU-Projekten. Die Vortragenden stimmten überein: Das Museum braucht die EU, aber vor allem braucht die EU dringend das Museum!
In seiner Begrüßung der TagungsteilnehmerInnen betonte der Vizepräsident der Forschung an der HTW, Prof. Dr. Matthias Knaut, die besondere Rolle, die die EU für die Normenentwicklung in der Kulturarbeit und die Herausstellung der nationalen Besonderheiten, auch in Hinblick auf Intangible Heritage, spielt. Ebenso erinnerte er daran, dass uns die Geschichte lehrt, in welchem Ausmaß nationalistische Bewegungen die Kulturarbeit und den kulturellen Austausch behindern.
Der Studiengangsleiter für Museumsmanagement und –kommunikation, Prof. Dr. Oliver Rump, betonte in einer kurzen Ansprache, dass die provokative Formulierung des Titels an aktuelle Vorkommnisse anknüpft und versuche, einen offenen Dialog anzuregen.
MuExit: Kultur statt Unkultur
Die erste Rednerin des Tages war Dr. Konstanze Kriese, akkreditierte Parlamentarische Assistentin von Martina Michels (DIE LINKE) und Mitglied des EU-Parlaments in Brüssel. Als Grundproblem benannte sie, dass die Kommission grundsätzlich unterschätze, in welchem Ausmaß der digitale Wandel die Gesellschaft beeinflusst und dass dazu auch gehöre, wie das kulturelle Gedächtnis aufbewahrt wird (Stichwort Digitalisierung und Zugänglichmachung von Sammlungsbeständen). Hier gebe es enormen Aufholungsbedarf, vor allem in Hinblick auf internationale Konzerne wie Google und das Digitalisierungsprojekt „Google Books“. Kriese betonte, dass Museumsverbände unbedingt auch auf EU-Ebene in die Gesetzgebung eingreifen und ihre Interessen stärker vertreten sollten. Museumslobbyisten müssten in Brüssel lauter werden, denn der Kulturausschuss sei nach wie vor bei großen Entscheidungen nie federführend. Als Vergleich: Das EU-Budget für Kultur beträgt jährlich 1,42 Mrd. €, das Budget für die Agrarindustrie rund 300 Mrd. €. – auch wenn die Beschäftigungszahlen in den beiden Branchen relativ identisch seien. Mittel für „Creative Europe“, dem Förderprogramm für Europas audiovisuelle Branche sowie die Kultur- und Kreativwirtschaft, machen lediglich 0,14% des EU-Budgets aus. Dies zu ändern läge beim Europäischen Rat und den Mitgliedsstaaten. Kriese schloss mit dem Fazit: „Kultur kostet – Unkultur kostet mehr“.
Der nächste Vortag beleuchtete die Thematik von der Seite der Lobbyisten. Prof. Dr.-Ing. Anja Kleinke, die sich in ihrer Dissertation mit der Zukunftsfähigkeit öffentlicher Museen in Deutschland durch Lobbying beschäftigte, lieferte als ehemalige Projektmanagerin beim Masterplan Museumsinsel starke Argumente für eine umfassendere Lobbyarbeit für Museen. Das größte Potenzial sieht sie bei den Allianznetzwerken wie dem Deutschen Museumsbund (DMB), ICOM (The International Council of Museums) und NEMO (Network of European Museum Organisations), aber auch allgemein in den vielfältigen zahlreichen netzwerkartigen Strukturen der Kulturförderung. Auch Cross Lobbying könne für Museen und andere Kultureinrichtungen durchaus sinnvoll sein. Ebenso gab Kleinke einen kurzen historischen Abriss der Lobbyarbeit an Museen im deutschsprachigen Raum, die rund 150 Jahre zurückreicht, und erinnerte daran, dass Interessenvertretung, wie durch Fördervereine und Mitgliedschaften bei ICOM, an Museen heute zumeist eine Selbstverständlichkeit darstellt. Das Lobbying für Gemeinwohlinteressen wie die Kulturförderung habe heute grundsätzlich eine große Akzeptanz in der Bevölkerung und solle somit auch die EU-Politik stärker beeinflussen.
MuExit: NEMO als Beispiel
Anja Schaluschke, Vorstandmitglied bei NEMO und Geschäftsführerin des Deutschen Museumsbundes e.V., gab einen detaillierten Einblick in die Arbeit von NEMO und des DMB. NEMO wird durch „Creative Europe“ gefördert und gibt jährlich eine Berichterstattung über seine Arbeit an die EU ab. Das Netzwerk vertritt rund 30.000 Museen aus 37 europäischen Ländern. Sein strategischer Fokus liegt auf Economical, Educational, Social und Collection Values und der Interessenvertretung der europäischen Museen gegenüber relevanten EU-Einrichtungen. NEMO möchte Museumsinteressen in vielfältigen Bereichen integrieren, bietet Weiterbildungs- und Austauschmöglichkeiten und unterstützt Museen bei der Beteiligung an EU-Projekten. Ohne EU-Förderungsgelder wäre die Arbeit von NEMO, dem einzigen europäischen Museumsnetzwerk, schwer möglich. Auch in diesem Vortrag wurde erneut die Wichtigkeit von Lobbyismus für Museen deutlich: Von rund 20.000 Lobbyisten auf der EU-Ebene haben lediglich 15 einen Museumsbezug.
Die letzten beiden Vorträge des Tages gaben vor allem einen praktischen Einblick in die Arbeit mit EU-geförderten Kulturprojekten. Wilhelm Siemen, Direktor des Porzellanmuseums „Porzellanikon“ in Hohenberg a. d. Eger/Selb, gab hierzu eine praxisnahe Anleitung der „DOs and DON´Ts“ in der Antragstellung anhand des EU-geförderten Projekts „Ceramics and its Dimensions“. Er zog das Fazit, dass die Porzellanindustrie nicht ohne Europa sein könne und man im europäischen Kontext immer mehr bewegen könne als auf nationaler Ebene. Der Vortrag regte einen interessanten Erfahrungsaustausch über die Antragsstellung zu EU-Projekten im Publikum an. Peter Legemann, Geschäftsführer des Kunst- und Kulturzentrums „schloss bröllin e.V.“ in Mecklenburg-Vorpommern, zeigte in seinem Vortrag abschließend detailliert die allgemeinen Chancen und Fallstricke von EU-Förderanträgen auf und betonte den Mehrwert von internationalen Kooperationen.
MuExit: Braucht das Museum die EU – ein Fazit
Also: Braucht das Museum die EU? Die Tagung hat in unterschiedlichen Beiträgen verdeutlicht, dass die Antwort ein klares JA ist. Auch wenn die Kulturpolitik in der Europäischen Union den einzelnen Mitgliedstaaten obliegt, sollte die EU dennoch aktive Kulturförderung betreiben. Die Vortragenden waren sich hierbei einig, dass die EU die nationalen kulturpolitischen Programme sinnvoll ergänzt und es in Hinblick auf die europäische Gemeinschaft auch unbedingt weiter tun sollte. Museen haben das Potenzial, besonders in Zeiten erstarkender populistischer Strömungen die europäischen Wertevorstellungen zu betonen. Die Kulturförderung von EU-Seite kann so die Zusammenarbeit der europäischen Gemeinschaft vorantreiben. Die Tagung hat eindrücklich gezeigt, dass es an der Zeit ist, noch stärker für die Interessen der Museen und Kulturarbeit einzutreten und somit den Erhalt der kulturellen Vielfalt in Europa für die Zukunft zu gewährleisten.
Bildquelle: HTW Berlin, MA Museumsmanagement und -kommunikation