Das Hafenmuseum Speicher XI ist für ortsfremde Museumsbesucher nicht unbedingt leicht zu finden. Es liegt fern ab vom Zentrum der Hansestadt Bremen. Einst pulsierte hier jedoch das wirtschaftliche Leben. Hier wurden Speicherbauten für den Überseehafen errichtet; nur wenige Straßen weiter zogen sich Häuserzeilen für die Hafenarbeiter.
Das Museum ist in einem der um 1911 in Betrieb genommenen Speicherbauten des Hafens untergebracht. Dem Besucher bietet sich ein einprägsames Bild: das 400 Meter lange Gebäude Speicher XI ist historisch. Und um Geschichte geht es auch in der Ausstellung. Sie illustriert die letzten 120 Jahre Bremische Hafengeschichte. Zeitzeugen-Interviews, Exponate und Hands-on sind die wesentlichen Mittel, mit denen dem Besucher zahlreiche wirtschaftliche und soziale Themen zum Leben von Hafenarbeitern, Warenumschlag und mittlerweile unbekanntem Volksmund des 20. Jahrhunderts näher gebracht werden.
Zeitzeugen-Interviews – aber von wem?
Innerhalb der Ausstellung haben Zeitzeugen-Interviews eine große Präsenz. Der Besucher dürfte sich durch die alltäglichen, zuweilen lustigen und dramatischen Zitate den ehemaligen Hafenarbeitern näher fühlen.
Ein visuelles Highlight ist beispielsweise eine Vitrine mit 49 glänzenden Ringen. Das Zitat machte neugierig:
„Ich war 49 mal verlobt in Übersee!
Ich habe mir so billige Ringe gekauft, 49 Stück, vergoldet, so einfache von „Seifenplatz“.
Und die hab ich dann all meinen Mädchen gegeben.
49 mal verlobt,
die 50ste habe ich dann geheiratet – und bin hier geblieben.
Herr Reichl-Reichel erlernte den Beruf des Stewards und fuhr lange zu See.“
Was für eine Geschichte! Sie dürfte so manchen Besucher faszinieren. Noch gelungener wäre sie, wenn in diesem und anderen Fällen biografische Daten folgen würden.
Exponate mit Geschmack
Die Präsentation der Exponate ist sehr ansprechend. Bereits die Eingangssituation, in welcher der Besucher über eine Gangway in die zweite Etage gelangt, vorbei an der in Säcke gefüllten Ladung, macht Lust auf mehr. Oben angelangt bietet sich der Blick in einen liebevoll gestalteten Raum. Warmes Licht, geschmackvoll eingerichtete Vitrinen und Hand-ons laden zum Angucken und Mitmachen ein. Dem Besucher bleibt es selbst überlassen, wie er die Ausstellung weiter erkunden möchte.
Hands-on – eine schöne Idee mit kleinen Fehlern
Ein großes Plus der Ausstellung ist die Abwechslung: Video sehen, Audio hören, hier drücken, dort drehen, ein wenig riechen, Kräfte messen, Karren schieben und so fort. Für Familien mit größeren Kindern ist diese Art von Museum daher bestens geeignet, um sich spielerisch Informationen anzueignen, ohne passiv vor den Exponaten stehen bleiben zu müssen. Auch das zu Beginn der Ausstellung gereichte Büchlein, das wie bei einer Schnitzeljagd mit Informationsaufklebern bestückt werden kann, begeistert. Ein kleiner Wehrmutstropfen war hingegen die Tatsache, dass viele Hands-on informationsfrei blieben. Diese sind für Menschen ohne maritimen Wissenshintergrund nicht immer selbsterklärend. So laden drei, jeweils mit einem Sack beschwerte Seile zwar dazu ein, sich dranzuhängen und zu testen, mit welcher Vorrichtung das Gewicht leichter zu heben ist. Aber warum das Ergebnis ist wie es ist, bleibt ohne Erklärung. Ebenfalls schade insbesondere für die Zielgruppe „ältere Kinder“: Manche Hands-on funktionieren nur eingeschränkt.
Ein Museum zum Mitmachen
Das Hafenmuseum Speicher XI hat in vieler Hinsicht überrascht. Die authentische Lage, überwiegend schöne Ausstellungsgestaltung sowie Aufforderung an die Besucher, aktiv mitzumachen, begeistert. Auch die Idee der Zeitzeugen-Interviews ist im Kern positiv. Weniger gelungen ist das Fehlen von weiterführenden Informationen sowohl zu den Zeitzeugen als auch zu Exponaten und Hands-on. An anderer Stelle ist die Ausstellung dagegen wiederum sehr textlastig. Es ist zu berücksichtigen, dass das Hafenmuseum Speicher XI ein privates Museum ist.[1] Die letzte Erneuerung fand im Jahr 2013 statt. Aktualität spiegelt sich eher in den Wechselausstellungen wieder, deren Eintritt in der Museumskarte inbegriffen ist.
Insgesamt lohnt sich auf jeden Fall ein zweiter Besuch. Und vielleicht funktionieren bis dahin auch wieder die Hands-on.
Infobox
Hafenmuseum Speicher XI
Am Speicher XI 1
28217 Bremen
Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags 11.00 – 18.00 Uhr
[1] http://www.hafenmuseum-speicherelf.de/Ueber-uns-Profil.html (02.03.2017)
Bildquelle: Simone Kahlow
Dies ist ein Gastbeitrag von Simone Kahlow. Sie hat Ur- und Frühgeschichte sowie Klassische Archäologie an der Humboldt-Universität zu Berlin studiert und an der Universität Bremen promoviert. Seit 2008 ist sie immer wieder an der Konzeption und Durchführung interdisziplinärer Ausstellungen beteiligt und daher mit der Herausforderung, aktive, multimediale, zeitgemäße Ausstellung zu entwickeln, bestens vertraut.
[…] Über ein Mitmachmuseum und 120 Jahre Hafengeschichte in Bremen, genauer gesagt das Speichermuseum in Bremen informiert Simone Kahlow: http://museumswissenschaft.de/hafenmuseum-speicher-xi-bremen/ […]