500 Objekte „ […] zeig[t]en, wie die württembergischen Herzöge vor rund 300 Jahren ihre Idealstadt formten und was aus ihren Plänen wurde […]“, wie es im Programmheft des Ludwigsburg Museums heißt. Die Rede ist hierbei vom Stadtmuseum der schachbrettartig angelegten Barockstadt Ludwigsburg. 12 km nördlich von Stuttgart, zentral in der Stadt, im Gebäude des Kulturzentrums MIK (Museum Information Kunst) gelegen, lädt es zum Verweilen ein.
300 Jahre in sechs Kabinetten – Der Auftakt
Mit Hilfe der Architekten Lederer Ragnasdóttir Oei, dem Szenographiebüro HG Merz und den Kuratorinnen Dr. Alke Hollwedel, Leonie Fuchs und Margrit Röder eröffnete 2013 das neu konzipierte Ludwigsburg Museum mit der Dauerausstellung „Planstadt Ludwigsburg“, die sich raumgreifend im gesamten Gebäude widerspiegelt. 24 rote Tafeln mit kleinen Geschichten über die Stadt bilden das Anekdoten-ABC. Sie sind im kompletten Gebäude des MIKs verteilt. Damit ist das Museum stetig präsent. HG Merz arbeitet genau wie Lederer Ragnasdóttir Oei mit einer modernen Nüchternheit, die sich zurücknimmt und dem Besucher Raum für Fantasie gibt. Das Objekt steht im Vordergrund, vermittelt wird anhand von Farben, Oberflächen und Strukturen.
Schon im Eingangsbereich des MIKs beginnt die Ausstellung. Man erblickt die Stadtbildwand, die sich über die gesamte Höhe des Gebäudes inszeniert. Querschnitthaft macht sie dem Besucher Lust auf die Ausstellung. Vergleichbar in ihrer Vielfalt mit einer Kunst- und Wunderkammer, stehen die Objekte auf weißen Sockeln, die aus der Wand ragen oder frei an der weißen Wand montiert sind.Auf derselben Etage bemerkt man auch das an der Wand aufgestellte Stadtmodell, das einen Gesamtüberblick der Stadtstruktur gibt und den schachbrettartigen Aufbau verdeutlicht. Im ersten Stock befinden sich die sechs Kabinette, die Haupträume der Ausstellung.
300 Jahre in sechs Kabinetten – Der Hauptteil
Um den Rundgang durch die Kabinette zu beginnen, muss man die Stadtchronik ablaufen. Durch mit Objekten gefüllte Wandbrüche lassen sich Einblicke in die Ausstellung erhaschen. Wie auf einem Zeitstrahl bewegt sich der Besucher erst in die Vergangenheit, um sich in den Kabinetten wieder zurück in die Gegenwart zu arbeiten. Auch die einzelnen Ausstellungsräume greifen historische Abläufe durch chronologische oder alphabetische Anordnung der Unterthemen und Objekte auf. Charakteristisch für die Kabinette sind die stets mittig platzierten Leitobjekte, die stellvertretend für die thematische Einheit zu betrachten sind. Lediglich die Zitate, die neutralen, funktionalistischen Sitzgelegenheiten und die Objekttexte in Form von Faltblättern finden sich überall auf die gleiche Weise wieder.
„Guter Fürst“ – Raum 1 | „Idealstadt“ – Raum 2 |
Der erste Raum heißt „Guter Fürst“. Er nimmt den Besucher mit an den württembergischen Hof des 18. Jahrhunderts, der Gründungs- und Blütezeit der Stadt. Unterstrichen wird dies durch die golden tapezierten Wände und Graphiken aus der Zeit der Stadtgründung. Die Neugier kommt im zweiten Raum durch das Thema der Stadtentwicklung dieser Anfangszeit auf ihre Kosten, denn mittels Schubladen lassen sich hier die Oberthemen vertiefen. Jedoch sinkt die Entdeckerlust aufgrund der enormen Schubladenanzahl schnell. Glasglocken über den Objekten auf den Ausstellungskommoden ästhetisieren die schlichte Präsentation.
„Musensitz“ – Raum 3 | „Neuerfindungen“ – Raum 4 |
Der „Musensitz“, Raum drei, hat eine separate Stellung in der Ausstellung. Das Schaffen künstlerischer und kulturell wichtiger Personen bekommt hier Raum. Vier Büsten und eine Statue sind die dynamisch angeordneten Leitobjekte. Eine starke Lichtinszenierung lässt die Einzelvitrinen der „Stadtmusen“ mit persönlichen Gegenständen inszenatorisch wirken. Raum vier gleicht einem Setzkastenprinzip und stellt die in Ludwigsburg geschaffenen Erfindungen alphabetisch dar. Die große Menge an Objekten fesselt durch die helle, warme Einrichtung und die ästhetische, vom Konsum gelöste Präsentation.
„Soldatenstadt“ – Raum 5 | „Bürgerstadt“ – Raum 6 |
Andächtiger wirkt der Raum unter dem Titel „Soldatenstadt“. Er erzählt die Geschichte Ludwigsburgs als Garnisonstadt, von deren Entstehung bis zur Schließung der letzten Kasernen. Der Blick auf die Objektgruppen wird durch Glasstreifen in der Front ermöglicht und soll an die kaum einsehbaren Kasernen erinnern. Im letzten Raum dominieren die historischen und modernen Fotografien von Ludwigsburgern. Hier wird dem anonymen Bewohner Raum gegeben und durch das regelmäßige Wechseln der Bilder wird die Statik einer Dauerausstellung und Ausblick auf das Potenzial der Stadt in der Zukunft durchbrochen.
Fungiert das Gebäude als Ausstellung oder ist die Ausstellung das Gebäude?
Das Ludwigsburg Museum ist nicht nur einfach ein Museum, das sich auf die vier Wände des Ausstellungsbereiches beschränkt. Schon das Gebäude alleine ist ein erwähnenswertes Objekt, das mit dem Zusammenspiel zwischen Geschichte und Moderne spielt und sich zu Nutze macht. Zudem ist es ein gutes Beispiel für Historie und Wandelbarkeit einer Stadt, denn die ehemalige Vogtei, erbaut im Jahre 1731, hat in ihren 286 Jahren unterschiedlichste Funktionen erfüllt. Diese historische Vergangenheit wollten die Architekten von Lederer Ragnasdóttir Oei aus Stuttgart sichtbar machen. Die neu angebauten Wände, die für die Umgestaltung zum Kulturzentrum nötig waren, wurden kenntlich gemacht. Gemeinsam mit der historischen, gelblichen Außenfassade wurden sie weiß verputzt. Die historischen Wände des denkmalgeschützten Gebäudes sind dagegen unverputzt – genau so, wie sie es zur Entstehungszeit auch waren. Die beiden Bausubstanzen des Museums stehen in einem Kontrast zueinander. Besonders stark in Erscheinung tritt dieser im Treppenaufgang.
Auf den ersten Blick wirken die unverputzten Wände unvollendet. Doch bei genauerer Betrachtung werden sie mit der weißen Wandfarbe zu einem charakteristischen Merkmal. Der Besucher kann die Verbindung zwischen der Vergangenheit des Gebäudes und damit auch der Stadt und der heutigen Situation nachempfinden. Durch dieses Gestaltungsmittel drückt sich das Verständnis des Museums für die Räumlichkeiten aus. Man beruft sich auf die Entstehungszeit und zeigt, dass man stolz auf die lange Geschichte der Architektur ist, die passenderweise das Museum beherbergt.
Im nächsten Teil wird das Museum analysiert. Wenn Sie diesen Artikel nicht verpassen möchten, abonnieren Sie jetzt unseren Newsletter.
Bildquelle: MIK (Titelbild sowie Bilder im Artikel)