Vom 14. Mai bis zum 27. August 2017 ist die Ausstellung TOUCHDOWN in der KulturAmbulanz Bremen zu Gast. Die in Kooperation mit der Bundeskunsthalle Bonn, dem Forschungsprojekt TOUCHDOWN 21 und Menschen mit Trisomie 21 entwickelte Ausstellung legt nun ihren ersten Stopp ein. Die Galerie im Park der KulturAmbulanz ist damit gleichzeitig der Testlauf für zukünftige Standorte. Interessenten dafür gibt es laut Aussage des kaufmännischen Geschäftsführers der Bundeskunsthalle Dr. Bernhard Spies viele. Davon zeugen auch die am Ende der Laufzeit gezählten 35000 Besucher in Bonn.
Die Ausstellung TOUCHDOWN widmet sich deutschlandweit als erste Ausstellung dem Down-Syndrom. Geschichte, Gegenwart und Zukunft dieser Beeinträchtigung mit all seinen Fort- und Rückschritten bis hin zu den aktuellsten Debatten und wissenschaftlichen Erkenntnissen werden in den Blick genommen und bieten Stoff für längst überfällige Diskussionen. Angeregt wird dieser durch den partizipative Entstehungsprozess und dem inklusiven Ansatz der Ausstellung.
KulturAmbulanz Bremen – Ort des Austausches und gesellschaftlicher Diskussionen
Will man in die Galerie im Park, bietet sich ein Spaziergang durch das parkähnliche Gelände des Klinikums Bremen-Ost an, was auch im Sinne der KulturAmbulanz ist. Diese möchte mit ihren Angeboten einen Ausgleich zum alltäglichen Leben schaffen und Heilungsprozesse begünstigen. Durch Themen an der Schnittstelle von Kunst, Kultur, Gesundheit und Krankheit regt sie einen Austausch zwischen unterschiedlichsten Personengruppen an. Die KulturAmbulanz wird damit zum Ort des Austausches. Die Galerie gehört zur KulturAmbulanz, die deutschlandweit einzige Kultureinrichtung mit einem Klinikverbund als Träger. Das Haus im Park und das Krankenhaus-Museum sind zwei weitere Ausstellungs- und Veranstaltungsfläche der KulturAmbulanz.
Im Untergeschoss der Galerie im Park sind zwei Ausstellungsräume, die temporär mit verschiedenen Ausstellungen bespielt werden können. Bis Ende August ist dort die in sieben Ausstellungseinheiten aufgeteilte Ausstellung TOCHDOWN zu bestaunen.
TOUCHDOWN – Die Geschichte des Down-Syndrom und die Reise der „Second Mission“
Wir begleiten das achtköpfige Team der „Second Mission“ auf ihrer Reise. Sieben Teammitglieder haben das Down-Syndrom, das achte Mitglied ist die Hündin „!“ („Ausrufezeichen“). Gemeinsam möchten sie herausfinden wie es der Besatzung der „First Mission“ auf der Erde ergangen ist. Vor 5.000 Jahren waren diese vom Planeten „kUMUSI“ zur Erde aufgebrochen.
Nach der „Landung“, die dem Besucher Backgroundinfos vermittelt und die Crewmitglieder mittels Steckbrief und Comiczeichnung vorstellt, geht es in die zweite Einheit. In „Heute. Hier und Jetzt“ werden Menschen mit Trisomie 21 aus Deutschland und der Welt porträtiert. Sie sprechen Themen an, die sie selbst beschäftigen. Darauf folgen drei Ausstellungseinheiten, die sich der Veränderung der Chromosomen-Anzahl aus einer historischen Perspektive heraus widmen, aber stets einen gegenwärtigen Bezug herstellen. Beispielsweise geht das Team der „Second Mission“ auf die Suche nach der ersten Erwähnung des Down-Syndroms und kommt auch auf das neueste Ereignis zu sprechen: dem Nachweis von Trisomie 21 in der DNS eines 2550 Jahre alten Skeletts. Aber auch Bezeichnungen der Behinderung heute und damals sowie ihr Namensgeber, dem Arzt und Apotheker John Langdon Down, sind Thema. Dieser historisch-chronologische Abschnitt endet mit „Im Halb-Dunkel. Die Auslöschung“ – die Verbrechen an Menschen mit Beeinträchtigungen im Nationalsozialismus. Die vorletzte Ausstellungseinheit „Forschung. Ich bin, was ich bin“ findet wieder zu einer persönlichen Ebene mit Zukunftsausblick zurück, in der Betroffene und Angehörige, größtenteils künstlerisch, ihre Meinungen und Erfahrungen zu Schwangerschaft, Gesundheit und Krankheit deutlich machen. In der siebten und letzten Einheit geht die Ausstellung nochmals auf die Besatzung der „Second Mission“ ein. Am Ende ihrer Reise diskutieren sie über ihr weiteres Vorgehen – „Die Diskussion. Gehen oder bleiben?“
Blick in die Ausstellungsräume, © Nicole Naumann
Im Laufe des Ausstellungsbesuches wird dem Besucher klar, dass der Ausstellungstitel TOUCHDOWN, zu Deutsch Landung, mehr bedeutet als nur die Landung der „Second Mission“ auf der Erde. Es geht vielmehr um die bedingungslose Akzeptanz und den Respekt gegenüber Menschen mit Beeinträchtigung als Mitmenschen – einer Landung in unserer Gesellschaft, die längst überfällig ist.
Respekt, Akzeptanz und Individualität – Punktlandung in die Herzen der Besucher
Beeindruckend ist die durchdachte Inklusion der Ausstellung. Alle Texte sowie die des Begleitbandes sind in Klarer Sprache verfasst worden. Die Ausstellungsräume sind barrierefrei zugänglich. Doch die Breite der Gänge macht den Besuch eines Rollstuhlfahrers bei gut besuchten Tagen fraglich. Für genügend tragbare Sitzgelegenheiten ist gesorgt.
Die Ausstellung überzeugt durch den abwechslungsreichen inhaltlichen Mix, die schlüssige Geschichte um die „Second Mission“ und den vielen persönlichen Nuancen, die durch den partizipativen Ansatz entstanden sind. Dabei zielen die Geschichten und Biographien der Ausstellung nicht auf Schock, Mitleid oder Tadel, sondern darauf dem Besucher einen Einblick in Lebenswelten zu geben. Aspekte, wie Liebe oder Bildung finden Erwähnung und führen dem Besucher oftmals sein doch erschreckend verzerrtes und eingeschränktes Bild von Menschen mit Beeinträchtigung vor.
Die Ausstellung bietet für viele verschiedene Besuchertypen Zugänge. Neben klassischen Ausstellungstexten, Hörstationen und Filmen, schafft sie durch die im gesamten Konzept auftauchenden Zeichnungen von Vincent Burmeister eine weitere Ebene.
Verglichen mit der Schau in Bonn musste die Ausstellung verkleinert werden. Dies liegt aber lediglich an dem Format der Wanderausstellung, den begrenzten räumlichen Kapazitäten der Galerie im Park und den Rückforderungen von Objekten des einen oder anderen Leihgebers. Trotz der weißen Räume hat man das Öfteren das Gefühl der Überfüllung – was jedoch der teilweise festinstallierten Raumaufteilung und der klaren Abgrenzung der einzelnen Ausstellungseinheiten geschuldet ist. Doch leider zerreißt die Zweiteilung der Ausstellungsfläche auch den fließenden Rundgang des Ausstellungsbesuches etwas.
Was bleibt? – Eine abschließende Bemerkung
TOUCHDOWN ist eine inklusive Ausstellung, entwickelt über einen hohen Grad an Partizipation. Auch wenn oft Zeit und Mittel knapp sind, wäre es für die Museumslandschaft sicher vorteilhaft mehr von diesen zu haben. Schließlich finden nicht nur Menschen mit Beeinträchtigung Freude an unkomplizierten knappen Ausstellungstexten und durchdachtem Storytelling, sondern auch die Ottonormalverbraucher.
Wer wissen möchte, ob sich die „Second Mission“ zum Gehen oder Bleiben entscheidet, sollte sich einen Besuch in Bremen nicht entgehen lassen.
Unseren Artikel zur Ausstellung in Leichter Sprache finden Sie hier.
Bildquelle: Vincent Burmeister, Illustration für den Ausstellungsraum „Heute – Im Hier und Jetzt“, 2016 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH
Infobox
Galerie im Park (KulturAmbulanz)
Züricher Straße 40
28325 Bremen
Öffnungszeiten/ Eintrittspreise: Mo-So 11-18h/ 4€ regulär, 2€ ermäßigt
Laufzeit: 14.Mai bis 27.August 2017