„no pain no game“ ist eine Ausstellung, die nicht nur zum Mitmachen einlädt, sondern die ohne Mitmachen gar nicht funktioniert! Zehn Exponate wecken das Kind im Besucher. Angucken bringt nichts, nur wer mitmacht, wird schlauer. Kunst ist normalerweise eine eher stille Angelegenheit, aber im Museum für Kommunikation Frankfurt geht es derzeit laut her: Es klingt nach Spielhalle, nach Knopfgedrücke und Technobass. Musik pocht aus den Boxen, ab und zu ertönt ein helles Pling aus den Maschinen. An zwei Exponaten müssen Besucher singen, damit sich was bewegt. Die multisensorischen Artefakte von Volker Morawe und Tilman Reiff (auch bekannt als //////////fur////) rollen die gängige Präsentation und die mediale Interaktion spielerisch und humorvoll von einer ganz anderen Seite auf. Die Ausstellung „no pain no game“ im Museum für Kommunikation Frankfurt präsentiert ausgewählte Arbeiten des Künstlerduos, die auf unterschiedliche Weise zum Mitmachen einladen. Die Ausstellung ist noch bis zum 5. März 2017 zu sehen.
no pain no game: an seine Grenzen gehen
Eines der insgesamt zehn Installationen ist das Spiel „Amazing“. Es ist aufgebaut wie ein Labyrinth, in der Mitte liegt eine Kugel und es reagiert auf akustische Signale. Sobald hohe Töne erklingen, kippt es nach allen Seiten: abwechselnd singen zwei oder vier Personen und bringen so die Kugel nach und nach an ihr Ziel. Das ist nur im Teamwork möglich, gelingt aber sogar mit wildfremden Menschen und macht auch noch Spaß.
Auf ein konkretes Gegenüber angelegt ist die „Facebox“, das kleinste soziale Netzwerk der Welt. Nicht schwer zu erahnen. dass es sich hierbei eine Anspielung auf Facebook handelt. Zwei Personen stehen sich Auge in Auge gegenüber, sind aber abgeschirmt von der Umgebung, da die Köpfe jeweils in einer Art Computerbildschirm stecken. Nun sollen sie sich locker miteinander unterhalten, unter Ausschluss der Öffentlichkeit und jenseits der Anweisungen der Computerstimme kann eine echte Freundschaft geschlossen werden. Reagiert der andere nicht, hängt ein Stock zum Anstupsen bereit. Getreu dem Motto „No pain, no friendship“?! „Wir wollen Menschen zusammenbringen, sie sollen wieder miteinander kommunizieren“, so die Intention der Künstler.
Nicht gegeneinander, sondern miteinander
Über die zehn Stationen dreht sich das Verhältnis bis zu 80 Prozent Muskel und nur 20 Prozent Hirn um, so auch bei „Soundslam“. Die Station besteht aus einem Boxring mit Sandsack, Scheinwerfer und Lautsprecher: Eine Stimme sagt dem Amateurboxer bei dem Solo- und Multiplayer-Spiel an, welche markierten Punkte auf dem Sandsack in welchem Rhythmus zu treffen sind. Nur der wahre Box-Champion löst den Rocky-Hit „Eye of the Tiger“ aus.
„Snake Pit“ rundet das Fitness-Training ab und macht dem Computer-Spielklassiker „Hyper-Wurm“ Beine. Das einst für den Miniscreen konzipierte, nur Augen und Daumen strapazierende Geschehen wird hier zum Lauftraining. Der Besucher selbst wird zum Wurm: auf einem XXL-Screen werden zwei Schlangen mittels Gaspedalen von allen vier Seiten angetrieben. Wer die Richtung ändern will, muss rasch zum nächsten Gaspedal laufen.
Kontrovers diskutiert wird die Station „PainStation“: Zwei Personen legen ihre linke Hand auf Metallplatten, die rechte nutzen sie zum Spielen des virtuellen Tischtennisspiels. Sie ist legendär, wurde bereits mit internationalen Preisen überhäuft, stand schon im Museum of Modern Art in New York und weiteren renommierten Häusern. Doch das unscheinbare Gerät hat es in sich. Entwickelt 2001 zu einer Zeit, in der Videogames gerade stark in der Kritik standen, bestraft „Painstation“ den Nutzer bei Versagen mit Schmerz. Ein Kommentar zur „Killerspiel“-Debatte. „In Ego-Shootern töten Gamer hunderte virtuelle Gestalten, ohne Konsequenzen zu spüren. Bei uns schlägt das Spiel zurück“, erläutern die Künstler. Grundlage ist der Game-Dinosaurier „Pong“ aus dem Jahre 1972. Ironisch, weil gerade das virtuelle Tennis selbst hartgesottensten Verteuflern wohl kaum Anlass zum Zeigefinger bietet. Aber: „Painstation“ tut weh, und zwar so richtig. Wer den Ball verfehlt, spürt an der linken Hand die Strafe: Hitze, Stromschläge und eine Minipeitsche sorgen für rote Handrücken. Wer es nicht mehr aushält, verliert. Die Teilnahme it erst ab 18 Jahren. Es ist die einzige Station, die tatsächlich mit Schmerzen bestraft wird.
no pain no game: Angst statt Kunstgenuss
Die zehn Installationen gehen buchstäblich über die Schmerzgrenze hinaus und sind ganz nebenbei sogar richtig politisch. Die Knie weich, der Bauch ganz flau, die Hände schwitzig: Angst. Ein Gefühl, das der Besucher normalerweise selten im Museum erfährt. Doch bei „no pain no game“ lunst sie einem gerne mal über die Schulter. Wobei Ausstellung ohnehin das falsche Wort für das ist, was Volker Morawe und Tilman Reiff an geballtem Witz und Einfallsreichtum auffahren. Passender wäre etwas wie Versuchslabor für Mutige, die viel über sich und ihre Beziehung zur digitalen Welt lernen wollen. Frei nach der Weisheit: Das Spiel zeigt den Charakter.
Trauen Sie sich?
Am Anfang der Ausstellung ist ein leuchtender Druckknopf mit einer Mausefalle kombiniert. Wer drückt, so geht die skeptische Vermutung, der bekommt richtig was auf die Finger. Trauen Sie sich?
Infobox
Museum für Kommunikation Frankfurt
Schaumainkai 53
60596 Frankfurt am Main
Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 9 – 18 Uhr, Samstag, Sonn- und Feiertage 11 – 19 Uhr
Bildquelle: Museum für Kommunikation Frankfurt