Im Badischen Landesmuseum Karlsruhe gastiert noch bis Anfang Oktober der Wilde Westen samt Cowboys und Indianern. Der Mythos vom romantischen Lagerfeuer, Modeschmuck aus der Boutique und sogar der Preis der Teenie-Zeitschrift „Bravo“ trägt Federn – all das repräsentiert das Bild von Cowboys und Indianern in der deutschen Alltagskultur. Beispiele hierfür finden sich im Badischen Landesmuseum in Karlsruhe, denn im März eröffnete das Museum seine erste große Familienausstellung mit dem Titel „Cowboy und Indianer – Made In Germany“. Seit fast sechs Monaten ist der Ostflügel des Schlosses in eine einzigartige Szenerie aus Westernstadt und Tipi-Dorf samt Lagerfeuer verwandelt.
Die Ausstellung thematisiert die Leidenschaft der Deutschen für den amerikanischen Wilden Westen. Das Bild des typischen Indianers war bereits um 1900 auf Plakaten für Indianershows zu sehen. Selbiges ist bis heute fast unverändert geblieben. Karl May und Buffalo Bill prägten die deutsche Alltagskultur und ermöglichten den Wild-West-Boom, denn wohl in keinem anderen Land – abgesehen von den USA – sind seit der Deutschland-Tournee der Wild West-Show Ende des 19. Jahrhunderts die Bilder von Cowboys und Indianern derartig präsent und in der Alltagskultur fest verankert. Die Ausstellung im Badischen Landesmuseum dokumentiert, wie die von den beiden Ikonen geschaffenen Bilder von Cowboys und Indianern sich im deutschen Alltag niederschlugen – nicht nur bei Kleidung und Spielwaren, sondern auch bei Lebensmitteln, Autos und vor allem bei Büchern.
Wild-West-Gelände im Karlsruher Schloss
Das Badische Landesmuseum hat kurzerhand mehrere Säle im Erdgeschoss in ein stilechtes Wild-West-Gelände verwandelt. Klingt nach einer Menge Spaß, der dort auch zu finden ist, aber es geht hierbei nicht nur darum: Die für Museen übliche Präsentation der „wahren“ US-Historie wird hier nur gestreift. Im Mittelpunkt steht vielmehr der in West- und Ostdeutschland gepflegte Mythos. In der ersten Familienausstellung dieser Art erleben Kinder die wilden Indianer und die kühnen Cowboys, wie sie schon ihre Eltern und Großeltern begeistert haben. Und diese erwischen sich mitunter selbst dabei, wie sie in Erinnerungen schwelgen.
Auf knapp 1.000 Quadratmetern gibt es eine raumgreifende Inszenierung von Buffalo Bills Arena. Im museumseigenen Saloon der eigens errichteten Westernstadt dürfen sich Besucher wie waschechte Cowboys fühlen. Es tauchen sämtliche Utensilien auf, die Jung und Alt an der Geschichte der Indianer fasziniert: So zum Beispiel die Originalromane von Karl May oder auch der Cowboyhut von Konrad Adenauer. Highlight hierbei scheint das Original-Filmkostüm von Pierre Brice aus dem Jahr 1962 als Teil des Filmepos „Schatz im Silbersee“ zu sein – stilecht dazu ein historischer Federschmuck aus der Zeit um 1900. Auch Marlene Dietrichs Kostüm als sich prügelnde Barfrau in „Der große Bluff“ von 1939 gehört zu den Ausstellungsstücken. Und während sich die Kinder auf Holzpferdchen und in Tipis tummeln und lernen wie man Lassos knotet, sind die Älteren mehr um die großzügig verteilten Monitore zu finden, auf denen unter anderem diverse Spiele und Filmausschnitte laufen. Ein Best Of der Western-Filme ist im Kinobereich der Ausstellung zu sehen. Alle Viertelstunde wechselt hierbei das Angebot. Die Kunstschützin Annie Oakley aus der Buffalo-Bill-Show, der Heidi Brühl im Musical „Annie get your gun“ nacheiferte, ist hier ebenso zu erleben wie die singende Marlene Dietrich als schlagkräftige Barfrau. Daneben werden aber auch Filmausschnitte aus Stummfilmen der 1930er Jahre, Plastik-Colts und Karnevalskostüme sowie Elastolin-Figuren der Vorkriegszeit gezeigt. Neuere Exponate kommen jedoch auch hier nicht zu kurz: Die bis 1974 in Westdeutschland von Kindern gehorteten Miniaturfiguren sind in der ehemaligen DDR produziert worden, bevor in Nürnberg die Firma Playmobil an den Start ging. Diese mehr als 200 Exponate wecken wohl vor allem bei älteren Besucher so manche Erinnerungen.
Selbst einmal Cowboy und Indianer sein
Die Sonderausstellung lädt aber auch zum Mitmachen ein: So können Erwachsene Whiskey-Flaschen im Saloon zertrümmern, während Kinder Indianerschmuck im Tipi-Zelt basteln oder auf Plüschponys reiten. Es ist eine Ausstellung für die ganze Familie mit einem großen Begleitprogramm. Besucher können Cowboykopftücher bedrucken oder auch Lasso-Indianer-Spiele üben. In Kooperation mit dem Waldkindergarten gibt es sogar einen Kurs zur Spurensuche. Für Erwachsene gibt es ein Whiskey-Tasting, bei dem sie vier verschiedene Bourbon probieren können.
Wie realitätsnah die eigene Vorstellung von Cowboys und Indianern ist, zeigt die Ausstellung jedoch nicht. Sie zeigt aber, weshalb jeder gerne mal Cowboy war oder ist: Es ist wahrscheinlich vieles, was am eigenen Leben vermisst wird. Es gibt die Werte zu Freundschaft, Treue, Naturverbundenheit oder auch Heldenhaftigkeit. Also positiv besetzte Werte, die jeder auch gerne selbst hätte – und dafür ist sowohl der Cowboy als auch der Indianer eine gute Marke. Wie durch ein Guckloch vermittelt die Ausstellung dem, der ernsthaft hinschaut, einen Rückblick auf halb vergessene und überraschend verbindende Kapitel gesamtdeutscher Nachkriegsgeschichte. Ein ungewöhnliches, aber ebenso unterhaltsames wie informatives Begleitheft ersetzt dabei den typischen Ausstellungskatalog: Das Heft erinnert an ein Fußballmagazin. Einziger Unterschied hierbei ist, dass die Sticker-Bildchen zum Einkleben schon mitgeliefert werden. Alles in allem: eine gute Idee und eine wunderbare Ausstellung für die ganze Familie!
Link zum Video gibt es hier.
Infobox
Badisches Landesmuseum Karlsruhe
Schlossbezirk 10
76131 Karlsruhe
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Donnerstag: 10 – 17 Uhr
Freitag bis Sonntag und Feiertage: 10 – 18 Uhr
Montags geschlossen
Bildquelle: William Adams (Pixabay)