Das Museum Europäischer Kulturen, im Folgenden MEK genannt, wurde 1999 gegründet und zeigt die Historie europäischer Kulturen seit Beginn des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart auf. Es erforscht neben historischen auch kulturelle Grenzen. Hiermit sind nicht nur beispielsweise Landesgrenzen gemeint, sondern vielmehr die Barrieren zwischen dem Eigenen, dem eigentlich Bekannten und dem scheinbar Fremden, Unbekannten. Zu der Sammlung des MEK gehört der internationale Austauschprozess sowie das Alltagsleben europäischer Kulturen. Ebenso zählen zu den Aufgaben des MEK das Aufzeigen von Migration und der kulturellen Vielfalt.
Das derzeitige Leitbild des MEK
Das derzeitige Leitbild des MEK stammt aus dem Jahre 2014. Es umfasst zwei Seiten und besteht aus sieben Abschnitten. Diese sind:
- Präambel
- Wer sind wir?
- Woher kommen wir?
- Was wollen wir?
- Wie arbeiten wir?
- Für wen arbeiten wir?
- Wohin gehen wir?
Die Präambel ist weitestgehend offen gehalten. Hier werden bisland nur allgemeine Informationen angeschnitten, wie beispielweise, dass das MEK „weltoffen“ und „zukunftsorientiert“ ist. Das MEK sieht sich als Förderer des „Respekt[s] vor allen Menschen und ihren kulturellen Äußerungen“. Noch ist hierbei keine Besonderheit des MEK festzustellen, da die meisten Museen in ihren Leitbildern von Weltoffenheit und Zukunftsorientierung schreiben. Was hier jedoch zu bemerken ist, ist die unterschiedliche Sichtweise: So ist in den ersten beiden Sätzen von dem MEK in der dritten Person Singualr die Rede. Anschließend wird die Passage jedoch personalisiert, indem Formulierungen wie „wir fördern“ und „unserer Arbeit“ auftauchen.
In den darauffolgenden Abschnitten wir das MEK vorgestellt, die allerdings unter einem gemeinsamen Punkt zusammengefasst werden könnten. In einem Leitbild ist weniger die Geschichte des Museums interessant. Diese kann in Publikationen oder auf der Homepage näher erläutert werden. Sollte die Geschichte des Museums doch im Leitbild thematisiert werden, reichen wenige Sätze. Im Falle des MEK wäre dies zum Beispiel:
- „Wir beschäftigen uns mit Lebenswelten in Europa und europäischen Kulturkontakten vom 18. Jahrhundert bis heute.“
- „Mit rund 280.000 originalen Objekten beherbergt unser Museum eine der größten europäischen Sammlungen zur Alltagskultur und populärer Kunst.“
- „Die Objekte sind die unverzichtbare Grundlage unserer Arbeit, indem wir sie sammeln, bewahren, (neu) erschließen, zeitgemäß präsentieren und vermitteln.“
- „Das Museum Europäischer Kulturen ging 1999 aus der Vereinigung des Museums für [Deutsche] Volkskunde mit der europäischen Sammlung des damaligen Museums für Völkerkunde hervor.“ In diesem Satz sind die Gründungsdaten der beiden Museen nicht relevant, da es hierbei nur um das MEK geht.
In dem Abschnitt „Woher kommen wir?“ wird weiterhin beschrieben, dass seit den 1970er Jahren Alltag und Lebenswelt im Vordergrund stehen. Auch die Migration als Forschungsfeld wird thematisiert. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass dies nichts mit dem Ursprung des Museums zu tun hat. Es ist lediglich eine Randangabe, wie sich die Sammlung beziehungsweise der Standpunkt des Museums in den letzten vierzig Jahren geändert hat.
Der interessanteste Abschnitt scheint der folgende „Was wollen wir?“ zu sein. Hier wäre der ideale Raum, um aufzuzeigen, was das MEK realisiert. Stattdessen wird hier zwar erwähnt, dass ein Beitrag zum kulturellen Gedächtnis geleistet wird, doch leider ist auch dieser Abschnitt sehr oberflächlich formuliert. Hier könnte weiter in die Tiefe gegangen werden, um diese „Zusammenhänge von vergangenen und gegenwärtigen Lebenswelten“ zu verdeutlichen. Es wird zwar erwähnt, dass das MEK „ein Ort der Forschung, der Bildung und des aktiven Aneignens von Wissen“ ist, doch wie die Umsetzung ist, geht auch hier verloren.
Der Abschnitt „Wie arbeiten wir?“ ist der größte im Leitbild. Er zeigt zwar grundlegende Aufgaben des MEK auf, allerdings sind diese sehr allgemein gehalten. Sie werden nicht weiter vertieft und geben keine Beispiele. Auch wirkt es eher wie eine Aneinanderreihung der Möglichkeiten, sodass dieser Abschnitt wenig an Ausdruck gewinnt. Die einzelnen Optionen gehen in der Fülle der Aufzählungen unter. Als Beispiel soll folgender Satz dienen: Wir engagieren uns im Rahmen des „Föderalen Programms der Stiftung Preußischer Kulturbesitz“ und beteiligen uns an europäischen Ausstellungsprogrammen und Netzwerken.
Hierbei werden weder die Absichten des Föderalen Programms erläutert, noch werden Beispiele zu Ausstellungsprogrammen und Netzwerken gegeben. Der Leser kann sich somit nur wenig Konkretes darunter vorstellen, was das MEK in diesem Sinn an Arbeit leistet. Werden hier Wanderausstellungen angesprochen? Oder dass sich die Museen über diverse europäische Kulturen austauschen, gar zusammen arbeiten? In diesem Abschnitt sieht sich das MEK auch nur als Unterstützung für andere Einrichtungen. Es sieht sich nicht als Kern in der Vermittlung, sondern geben die Vermittlung komplett aus der Hand. Dabei wäre es wichtig zu erwähnen, wie viel man doch im MEK über andere Kulturen lernen kann. Auch, dass der Besucher hierfür nicht immer im Museum sein muss, sondern auch die Datenbanken oder Bibliothek nutzen kann. Ebenso geht hier das Gespräch mit den Mitarbeitern völlig unter. Etwas fehl am Platz wirkt die Formulierung der „professionellen Mitarbeiter/inne/n“. Fraglich ist hier auch, ob denn alle Arbeitsbereiche/Berufe aufgelistet werden müssten. In der Fassung von 2014 ist die Rede von „einer Fotografin“. Für den Fall, dass eine weitere eingestellt wird, müsste das Leitbild sofort entsprechend angepasst werden.
Mit weiteren allgemeinen Formulierungen geht es in dem Abschnitt „Für wen arbeiten wir?“ weiter. So ist die Rede von unterschiedliche[n] Zielgruppen“, „Stammpublikum“ und „kulturellen Gruppen, die […] noch keine aktive Verortung“ erlangt haben. Sind hierbei Europäer aus verschiedenen Kulturen gemeint? Oder doch eher außereuropäische Kulturen? Möglich wäre ebenso, dass die Zielgruppe erst ab einem bestimmten Alter beginnt. In diesem Abschnitt wird leider weniger thematisiert, dass das MEK für alle Bevölkerungen da ist.
Der Abschnitt „Wohin gehen wir?“ sollte zukunftsorientierter aufgebaut sein. Es ist lediglich die Rede von Kooperationen in den nächsten Jahrzehnten, doch wie genau diese aussehen werden, bleibt ungeklärt. Es sollten hier nicht konkrete inhaltliche Beispiele aufgeführt werden, doch zumindest die Art der Mitwirkung sollte deutlich erwähnt werden. Im Folgenden sind hierzu ein paar Gedanken festgehalten.
Wofür steht das MEK?
Das MEK beschäftigt sich mit der Vielfalt menschlicher Kulturen und Gesellschaften. Ziel ist es, die wirtschaftliche, politische, soziale und kulturelle Fülle des menschlichen Zusammenlebens mit all ihren Erscheinungsformen und Entwicklungen aufzuzeigen und zu erklären. Weiterhin setzt sich das MEK mit der Verortung der lokalen Phänomene in globale Kontexte auseinander. Es erforscht also das breite Spektrum der europäischen Kulturen, wie urbane Räume in Ost und West, dem Alltagsleben, sozialen und religiösen Veränderungen und gewaltsamen Konflikten und Aktivitäten.
Mögliche Verbesserungen
Die Grundidee des MEK ist im übertragenen Sinn mit der Funktion eines Archivs zu vergleichen. Denn jedes Sammlungsobjekt soll für die Menschen zugänglich sein. Das Museum ist also dadurch ein offener Ort, an dem die kulturelle Identität geschaffen und vermittelt werden kann. Außerdem können Fragen der Vergangenheit und Gegenwart behandelt werden. Denn genau hier macht das MEK einen bedeutenden Schritt: Das Museum ermöglicht einen Zugang zu allen Sammlungsobjekten. Wissenschaftler, Forschungseinrichtungen, Künstler und interessierte Menschen aus aller Welt erhalten Einblick in die Bestände des Museums und können damit arbeiten und ihre eigene Vergangenheit erfahren. In diesem Zusammenhang könnte auch ein kurzer Abriss der Geschichte stattfinden. Zu beleuchten ist, dass das Museum immer wieder mit innovativen Projekten Maßstäbe gesetzt hat. Es ist ein Ort des echten Dialogs und der Partizipation.
Das MEK symbolisiert also zwei Dinge:
- Es ist Zentrum der kulturellen Vermittlung von Geschichte und Identität
- Es ist Forum der modernen Gesellschaft im Dialog
Das MEK als kulturgeschichtliches Museum ist in besonderer Weise prädestiniert, Identität zu vermitteln und zu hinterfragen. Seine Aufgabe ist die Entwicklung der europäischen Gesellschaft mit ihren Schnittstellen zu den außereuropäischen Kulturen von den Anfängen bis in die Gegenwart aufzuzeigen. Es sollte veranschaulichen unter welchen gesellschaftlichen und politischen Bedingungen historische Prozesse verliefen. Das Museum erklärt die Grundwerte der heutigen Gesellschaft. Im MEK sollte verdeutlicht werden, wie sich Kulturen begegnen, auseinandersetzen und annähern. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit kann mithilfe des MEK dabei helfen, die Gegenwart zu verstehen.
Das MEK kann durch seine Aufgabe der kulturellen Vermittlung eine hohe Kompetenz entwickeln und als Vorbild für andere kulturgeschichtliche Museen dienen. Da Museen im Allgemeinen nur einen kleinen Teil ihrer Sammlungen ausstellen und somit zugänglich machen können, bleibt die Mehrheit der Objekte in den Depots. In diesem Fall sind die Objekte normalerweise nur Wissenschaftlern zugänglich. Eine Ausnahme stellen hier Sonderausstellungen dar, die für kurze Zeit einzelne Objekte sichtbar machen. Gerade bei dem MEK, wie bei allen anderen kulturgeschichtlichen Museen auch, ist der Anteil an Objekten in den Depots sehr umfangreich.
Eine Möglichkeit die Depotsammlungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wäre eine Veröffentlichung im Internet. Da bereits zahlreiche Datensätze zu diesen Sammlungen vorhanden sind, könnte eine digitale Strategie erörtert werden, um diese zu veröffentlichen. Durch eine solche digitale Publikation der Sammlungen ließe sich ein neues Feld der Kommunikation, Interaktion und kulturellen Vermittlung öffnen. Die Sammlungsobjekte wären somit jederzeit unmittelbar erreichbar und sichtbar.
Ebenso ist die Didaktik von essentieller Bedeutung, die in dem Leitbild keine Anwendung findet. Hierfür ist der Abschnitt „Was wollen wir?“ sehr interessant. Besonders das “kulturelle Gedächtnis“ ist hierbei ein wichtiger Punkt. Die Konzepte der Erinnerungskultur gehen zurück auf den französischen Historiker Pierre Nora, die er in seinen „les lieux de mémoire“ festgehalten hat. Eine weitere Grundlage bietet das „Konzept des kollektiven Gedächtnisses“ von Maurice Halbwachs. Nach deren Definition gibt es sowohl ein individuelles als auch ein kollektives Gedächtnis. Beide können weiterhin unterteilt werden in kulturell und kommunikativ. Während das individuelle kommunikative Gedächtnis an einzelne Personen gebunden ist, bildet das kollektive die Erinnerung einer Gemeinschaft. Das kulturelle Gedächtnis ist entweder schriftlich oder in Bildern festgehalten. Es ist gefestigt, alltagsfern und institutionalisiert. Das kommunikative Gedächtnis hingegen wird nur über Erzählungen, also mündlich überliefert und ist flüchtig, alltagsfern und gruppenbezogen. Hierbei ist auch die Leitlinie „Vergangenheit für Gegenwart und Zukunft“ wichtig. Denn diese bedeutet, dass das Vergangene präsent ist und in der Zukunft nicht verloren geht. Es zeigt, dass durch das MEK jetzige und zukünftige Generationen Platz für ihre Identitätsfindung haben. Sie können also herausfinden, woher sie stammen und können mehr über ihre Kultur erfahren. Sie haben die Möglichkeit zum Nachdenken, um sich zurecht zu finden. Anhand dieser Passage ist zu erahnen, dass das MEK als Institution des Kulturaustauschs und internationaler Begegnungen anzusehen ist. Ein wichtiger Schwerpunkt liegt hierbei auf der Gegenwart.
So sind auch mögliche didaktische Probleme zu erörtern, die generell den Museumstyp betreffen könnten, zu dem auch das MEK gehört: die Völkerkundemuseen. Allem voran steht wahrscheinlich die Frage „Wo liegt der Schwerpunkt“? Liegt er auf der bildenden Kunst und den gestalterischen Fähigkeiten der Völker? Auf dem Alltagsleben? Oder liegt er etwa auf der Kreativität wie beispielsweise dem Tanz und Theater? Zu beachten ist, dass es vielseitige Aspekte gibt, die abhängig von Menschen einer bestimmten Kultur in einer bestimmten Zeit oder in einer bestimmten Religion sind. Diese Aspekte müssen ideell und materiell die Welt beziehungsweise das jeweilige Volk widerspiegeln. Zu diesen Aspekten gehören unter anderem:
- Sprache
- Religion
- Politik
- sozialer Wandel
- Alltag (Wohnen, Erziehung, Bildung, Rituale)
- Handwerk
- Kulturtechniken
Eine Schwierigkeit stellen hierbei wahrscheinlich die Objekte dar, die ja immerhin einen repräsentativen Umfang bilden sollten. Auch ist der Zeitfaktor ein wesentlicher Aspekt. Es muss deutlich gemacht werden, dass die Objekte möglicherweise nicht zeitgleich entstanden sind.
Ziel sollte es sein, eine Vorstellung von Menschen zu kreieren, mit ihrem Leben und gesellschaftlichem Umfeld in fremden Ländern. Hierbei sollten allerdings nicht andere Kulturen als fremd dargestellt werden, sondern es sollte aufgezeigt werden, dass auch außereuropäische Reisende den Kontinent als exotisch oder fremd empfinden könnten. Es sollten Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet werden, denn alle Kulturen sind gleichwertig. Auch sollte in dem Leitbild deutlich gemacht werden, dass das MEK einen Beitrag dazu leistet, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung abzubauen. Denn wie es im derzeitigen Leitbild bereits erwähnt wird:
Es soll zum kulturellen Gedächtnis beitragen. Diesen Beitrag leistet das MEK unter anderem mit Ausstellungen, Veranstaltungen und Publikationen. Somit kann es als „Archiv von Weltkultur(en)“ fungieren. Die Vielfalt von menschlicher Kultur sollte dargestellt werden, die durch eine unmittelbare Begegnung mit originalen Objekten zustande kommt. Insgesamt kann das MEK also als Forum für Austausch zwischen Menschen aller Kulturen dienen. Dies muss zudem in dem Leitbild deutlich gemacht werden.
Als Zielsetzung könnten hierfür drei Säulen dienen:
- Erkennen: Es kann Wissen aufgebaut und vertieft werden. Dies kann geschehen durch eigenes Tun und Erleben. Ebenso können Vielfalt und Vernetzung erkannt werden. Individuelle und gesellschaftliche Handlungsebenen unterschieden und Mitverantwortung erkannt werden.
- Bewerten: eine neue Perspektive einnehmen und eigene Gefühle erkennen. Es kann Empathie empfunden und gezeigt werden, ethische Wertvorstellungen von sozialer Gerechtigkeit, Solidarität reflektiert, um zu eigenen zu Werteinschätzungen kommen. Vorurteile und Klischees können ebenso erkannt werden.
- Handeln: selbständig oder gemeinsam mit andern im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung planen und handeln. Es kann unterstützt werden, dass Konflikte ausgehalten und ausgetragen werden. Außerdem kann gestärkt werden, die eigene Meinung zu vertreten.
Das Leitbild könnte im Allgemeinen deutlich gekürzt werden. Derzeit beträgt es zwei DIN-A4-Seiten, die auf eine einzige reduziert werden könnte. Insgesamt sollte in dem Leitbild deutlich gemacht werden, wer man als Institution Museum ist und was man zu bieten hat beziehungsweise welcher Beitrag geleistet wird. Erwähnt werden sollten Werte und Vorstellungen, die das Museum vertritt. Weiterhin sollte deutlich werden, durch welche Eigenschaft das Museum zu einem besonderen wird. Eine mögliche Formulierung des Leitbilds wäre die „wir“-Form, da diese Gemeinsamkeit und Zusammenhalt symbolisiert. Weiterhin sollte sowohl das materielle als auch das immaterielle Erbe berücksichtigt werden sowie Nachhaltigkeit und Wertschätzung der jeweiligen Kulturen Erwähnung finden. Als letzter Punkt ist der Prozess des „im-Wandel-Seins“ zu nennen, da das MEK den Prozess der Kulturveränderungen mitverfolgt und jeweils festhält.
Bildquelle: „violetta“ (Pixabay)