Es ist der Albtraum von vielen, die jemals ein (Kunst-)Museum betreten haben: Man stolpert, verliert sein Gleichgewicht und fällt direkt in ein unbezahlbares Kunstwerk. Ein Krach, ein Aufprall, ein Bruch und eine Art Unfall. Man möchte einfach im Erdboden versinken. Wir müssen nicht weit in die Vergangenheit schauen, um einige eindringliche Beispiele zu finden. Ende Februar 2017 hat die Kunstwelt eine gewisse Freude daran gehabt, ihren kollektiven Kopf zu schütteln als ein Selfie-süchtiger Museumsgänger in der Yayoi Kusama-Ausstellung im Hirshhorn Museum einen mit den typischen Polka-Dots verzierten Kürbis zerbrach – die Ausstellung „Infinity Rooms“ lief lediglich zwei Tage zu diesem Zeitpunkt. Abschreckende Beispiele wie dieses wurden in unzähligen Artikeln behandelt und in Videos von Überwachungskamers verewigt. Meistens wird dabei gar nicht gesagt, was als nächstes passiert oder was zu tun ist, wenn es einem selbst mal passiert. Also: Was passiert, wenn Sie ein Kunstwerk zerbrechen? Was würden (oder sollten) Sie dann tun?
Zerbrochenes Kunstwerk: Der Vorfall
Schriftstellerin Alison Kinney stellt gerne eine Version dieser Frage an Fremde bei Dinner-Partys. „Es ist ein moralischer Test mit neuen Freunden, um herauszufinden, was sie in dieser Situation tun würden“, sagt sie. Die meisten würden in dieser Situation wohl weg rennen. Für Kinney ist die Frage nach dem, was nach dem Zerbrechen eines Kunstwerks zu tun ist, mehr als rein hypothetisch. Im Frühjahr 2014 schlenderte sie durch New Yorker Gallerien. Bei einer wollte sie einen besseren Blick auf einige Zeichnungen bekommen. Um die Werke aus der Ferne zu betrachten, setzte sich Kinney auf etwas, das sie für eine Bank hielt. Ihr Mann versuchte, sie zu warnen und ihr zu sagen, dass es tatsächlich ein Kunstwerk war (aus Styropor und Hühnerdraht, um wie eine Bank auszusehen), aber es war zu spät: Als sie ihren Fehler erkannte, hatte Kinney bereits eine Ecke des Stückes abgebrochen. Denkt sie heute an diesen Vorfall zurück, sind die Emotionen des verhängnisvollen Momentes noch frisch. „Ich hatte Angst, gefangen zu werden“, sagt sie. Obwohl sie von jedem anderen die Antwort „Ich würde in diesem Moment weglaufen“ erwartet, blieb sie. Aber nicht aus moralischen Gründen, sondern weil sie Angst hatte. Das abgebrochene Teil hat sie aber auch nicht aufgehoben. Alles was sie in dem Moment tat, war sich in dem Raum umzusehen als hätte es jemand anderes getan. Dann ging sie in ein anderes Zimmer, um einige Gemälde anzusehen. „Ich hatte nur Angst und Panik.“ Die Angst führte sie schließlich doch dazu, es einem der Mitarbeiter zu beichten. Er dankte ihr lediglich für ihre Ehrlichkeit und ließ sie dann gehen. Allerdings lief ihr ein anderer Mitarbeiter schnell hinterher – einer seiner Vorgesetzten sollte über das weitere Vorgehen entscheiden. Sie wurde gebeten, ihren Namen, ihre Adresse und andere identifizierende Informationen aufzuschreiben. Die Arbeit, die Kinney zerbrach, war von einem anonymen Künstler und kostete etwa 8.000 US-Dollar. Geld, das Kinney nicht hatte. Sie sagte zwar potentiell für die Schäden aufzukommen, aber sie tat es nicht.
Ich habe ein Objekt kaputt gemacht. Und jetzt?
Kinney hörte nie wieder von der Galerie. Während sie sich Sorgen machte, dass ihre persönlichen Details für die Zwecke eines Schuldenkollektors genommen worden sein könnten, war der Grund wahrscheinlich viel banaler: die Versicherung. Nachdem ein Kunstwerk beschädigt ist, füllt eine Galerie oder Institution einen Vorfallbericht aus, der dokumentiert, was genau passiert ist und wer beteiligt war. In der überwiegenden Mehrheit der Fälle wird ein Besucher wie Kinney, der ein Kunstwerk versehentlich zerbricht, nicht für die Bezahlung für die Reparatur oder den Wert der Arbeit verantwortlich gemacht werden. „Im Allgemeinen sind sie auf die Räumlichkeiten eingeladen“, sagte Colin Quinn, Director of Claims bei der AXA Art Americas Corporation. Museums- und Galerie-Besucher werden theoretisch in diese Räume eingeladen. Unter der Annahme, dass die Institution angemessene Maßnahmen ergreift das Kunstwerk zu schützen, wird eine Versicherung für jede zufällige Schädigung eines Kunstwerks abgeschlossen. Die Situation ist natürlich anders, wenn eine Person vorsätzlich ein Kunstwerk beschädigt. Dann muss sie möglicherweise für die Reparatur der Arbeit bezahlen müssen oder ihren Wert abdecken – zusätzlich zu den strafrechtlichen Sanktionen. Normalerweise wird die Versicherungsgesellschaft, nachdem ein Vorfallbericht eingereicht wurde, einen Vertreter schicken, um die Arbeit zu untersuchen. Sie werden die Schäden auswerten und einen Vorschlag für die Reparatur von einem Konservator erhalten. Das Museum stimmt in der Regel diesem Vorschag zu.
Was passiert nach dem Vorfall?
Wenn Sie ein Kunstwerk zerstört haben, ist alles was Sie fühlen (müssen): Eine riesen Portion Schuld. Doch was passiert eigentlich mit dem Kunstwerk selbst? Meistens springen direkt die Konservatoren ein und bringen das beschädigte Stück in Sicherheit. Carol Vogel beschrieb einst in der New York Times einen Konservator, der Picassos The Actor im Jahr 2010 reparierte: Es war als würde man Notärzten zuhören, welche die Behandlung eines Patienten diskutierten, der einen schrecklichen Autounfall hatte. Im Januar 2010 fiel eine Frau während einer Schau im Metropolitan Art of Museum in das Gemälde und riss ein circa 15 Zentimeter großes Loch in die Leinwand. Die Malerei wurde schnell in das Erhaltungsstudio gebracht, wo die Konservatoren den Schaden schätzten, bevor sie den Riss mit Gewichten für sechs Wochen abdeckten, um die Leinwand flach zu halten. Dann wurde ein Pflaster aufgetragen und die Arbeit wurde mit einem Pigment-Kunstharz-Mix nachgebessert, das den von Picasso verwendeten Farben ähneln würde. Als es drei Monate später in das Museum zurückkehrte, wurde es hinter Plexiglas gezeigt.
Noch komplizierter war ein Fall von 2016, der von einer 91-jährigen Frau verursacht wurde, die ein Kreuzworträtsel in einem Nürnberger Museum ausfüllte. Das Problem? Das Kreuzworträtsel war eigentlich ein 80.000€ Avantgarde-Kunstwerk von Arthur Köpcke. Die ältere Museumsbesucherin wurde zweifellos durch das Lesen des Objekttitels verwirrt, der die Phrase „Insert Words“ und „so it suits“ enthielt. Die Polizei befragte sie eine halbe Stunde, doch sie sagte, sie habe nur die Anweisung befolgt. Das Museum verklagte die Frau, die von der Polizei lediglich als Hannelore K. aus Versicherungsgründen identifiziert wurde, obwohl sie wussten, dass sie keine böswillige Absicht hatte. Die Reaktion: Ihr Anwalt behauptete, dass das Museum nun ihr Urheberrecht verletzt hätte, da sie die eigentliche Arbeit wiederherstellen wollten und die ausgefüllten Wörter entfernten. Zu behaupten, dass eine Arbeit, die Sie beschädigt haben, jetzt eigentlich Ihre ist, ist ziemlich dreist.
Keine Angst vor dem nächsten Museumsbesuch
Also, wenn Sie etwas zerbrechen, müssen Sie keine Angst haben. Natürlich werden Sie dennoch Angst haben und panisch sein – müssen Sie aber nicht. Sagen Sie einem Mitarbeiter, was passiert ist, je früher desto besser. Das Museum wird zwar Ihre Daten aufnehmen, aber nicht um für den Schaden aufzukommen (sofern unbeabsichtigt und nicht böswillig zerstört!), sondern um einen vollständigen Bericht an die Verischerung zu schreiben, damit das Museum für den Versicherungsanspruch eine Prüfung erhält. Wollen Sie in der Situation anders handeln und losgehen, ist man nicht mehr oder weniger schuldig. Das Museum hat eine fast grenzenlose Überwachung und wird Sie finden – der Ton bei einem unvermeidlichen Treffen wäre also weniger herzlich. Und viel umständlicher.
Museen freuen sich, Sie als Besucher zu haben. Letztendlich sind sie in dem Geschäft, in dem Kunst mit der Welt geteilt wird. Drastische Strafen für Unfälle von Menschen, die nur versuchen einen Teil dieser Kultur zu erleben, helfen nicht das Ziel zu erreichen. Sie wissen auch, dass wohl nahezu jedes gezeigte Stück das durchschnittliche Nettovermögen übersteigt. So ist die Wahrscheinlichkeit der Rückerstattung gleich Null. Am Ende bleibt die Schande und Bilder der Überwachungskameras, die zeigen, wie man in ein Exponat fällt, während man versucht ein Selfie zu machen. Grund genug konzentriert und sich der Gefahr bewusst zu sein. Daher zum Schluss noch ein solches Video zur Abschreckung:
Bildquelle: Steve Buissinne (Pixabay)