Bei einem Stadtrundgang kann man viele Relikte vergangener Zeiten entdecken. Diese große Ansammlung historischer und kultureller Bedeutsamkeit bleibt jedoch bis auf die äußere Gestalt unsichtbar. Es ist nur der Ist-Zustand erkennbar, die Antworten auf alle anderen Fragen bleiben verborgen. Das derzeitige Erlangener Projekt „Erlangen sichtbar – unsichtbar“, kurz ER1900, ist ein gutes Beispiel für einen Stadtrundgang, der sogar digital unterstützt wird. Das Projekt legt einen besonderen Aspekt auf die neuere Stadtgeschichte. Die einzelnen Stationen des Stadtrundgangs ergeben zusammen gesehen ein facettenreiches Bild Erlangens im Kaiserreich, das die innere Dynamik und Widersprüchlichkeit dieser Epoche deutlich werden lässt.
Realer und digitaler Stadtrundgang
In Erlangen wurde 2015 ein interaktiver Stadtrundgang eingerichtet. Er besteht aus 17 im Boden eingelassenen Edelstahlplatten auf denen sich, neben der Bezeichnung des Bauwerks oder Denkmals und einigen wenigen Sätzen dazu, ein QR-Code befindet, der Interessierte auf eine Internetseite weiterleitet. Dort findet sich ein längerer Text, der die Hintergründe der Station erläutert. Das Besondere daran sind jedoch die bereitgestellten Bilder: Diese sind aus der Zeit um 1900 und zeigen somit die historische Situation der Bauwerke und Denkmäler. Dadurch bekommt man einen einmaligen, wortwörtlichen Einblick in das Erlangen der Zeit des Kaiserreiches. Die Ansichten zeigen neben der baulichen Situation oft auch Menschen, die mit den Orten verbunden sind, das historische Innere, bauliche Entwicklungen wie Vorgängerbauten oder Nachfolgern und vieles mehr.
Hintergrund dieses Stadtrundgangs ist eine 2002 zum Stadtjubiläum Erlangens entwickelte Aktion der Künstlerin Isi Kunath. Dieses Kunstprojekt war auf eine Laufzeit von einem Jahr ausgelegt, blieb jedoch bis 2015 in dieser Form bestehen und wurde schließlich vom Projekt „Erlangen sichtbar – unsichtbar“ abgelöst. Bei der Aktion „Denkmalobjekte“ hatte die Künstlerin 16 überdimensionale Pin-Nadeln in der Innenstadt aufgestellt. Die zugehörigen Keramikplatten im Boden zeigten den Hintergrund dieser bedeutenden Objekte auf. Da es sich großer Beliebtheit erfreute, hatte entschied sich der Kultur- und Freizeitausschuss der Stadt Erlangen dazu mehrere interaktiv nutzbare Stadtrundgänge anlegen zu wollen. Das entsprechende Konzept arbeitete schließlich die Kunstkommission Erlangen in Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum aus. Der erste und bisher einzige umgesetzte Stadtrundgang beleuchtet Erlangen im Kaiserreich.
Gelungene Umsetzung? Ein Fazit
Die Idee und das Konzept sind unzweifelhaft gelungen. Interessierte können selbstständig auf gut verständliche Informationen zugreifen, die einen Einblick in geschichtsträchtige Orte in Erlangen ermöglichen. Neben den QR-Codes ist auch immer die passende Internetadresse auf den Informationsplatten mit abgedruckt, sodass einerseits die QR-Codes als solche verständlich sind und andererseits die entsprechende Internetseite auch ohne diesen auffindbar ist. Durch die allgemein bekannten Tücken der Technik, wie beispielsweise eine stabile Internetverbindung, kann es beim ein oder anderen Mal beim Aufrufen zu Schwierigkeiten kommen. Da es zum Scannen der QR-Codes nötig ist bis auf eine gewisse Nähe mit dem mobilen Endgerät heranzukommen und die Platten im Boden verankert sind, müssen die Stadtrundgänger jedoch entsprechend nahe herantreten bzw. sich bücken, wozu die übliche städtische Verschmutzung nicht gerade einlädt. Die ebenerdige Anbringung ermöglicht die unauffällige Eingliederung in den Stadtraum. Das Auffinden wird wiederum durch eine Kartenfunktion auf der Internetseite ermöglicht. Alles in Allem handelt es sich bei dem interaktiven, realen und digitalen Stadtrundgang um eine schöne und informative Erweiterung des Stadtraumes.
Beim nächsten Stadtrundgang lohnt es sich also die Augen nach QR-Codes offen zu halten!
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