Was haben das LVR-Landes Museum Bonn, das Hus-Haus in Konstanz und die Porzellan-Manufaktur Meissen miteinander gemeinsam? Auf den ersten Blick recht wenig, doch sie alle sind auf der Plattform Proxipedia registriert. Aber was genau verbirgt sich hinter diesem geheimnisvollen Namen?
Zum diesjährigen Internationalen Museumstag im Mai startete Proxipedia, ein Produkt des Start-ups Artirigo. Mit Proxipedia möchte Artirigo dem Nutzer standortbezogen Informationen zu Museen und Sehenswürdigkeiten in der Umgebung bereitstellen. Die Plattform Proxipedia besteht dazu aus einer mobilen App, einer Website und dem sogenannten Proxipedia Publisher, der Museen die Verwaltung ihrer Daten ermöglicht.
Wie funktioniert Proxipedia?
Momentan sind circa 460 von deutschlandweit 7000 Museen auf Proxipedia gelistet. Laut Artirigo kommen pro Woche aber zwischen 30 und 50 neue Museen hinzu. Einrichtungen registrieren sich, indem sie in einem Onlineformular grundlegende Informationen wie Öffnungszeiten, Eintrittspreise sowie eine kurze Beschreibung des Hauses angeben und ein Foto hochladen. Nach Prüfung durch das Proxipedia-Team können dann Interessierte und Kulturfreunde diese Informationen vor Ort oder zur Planung einer Reise nutzen. Aktuell sind allerdings noch nicht alle gelisteten Museen mit den Basisinformationen versehen, weshalb der Nutzer oftmals lediglich erfährt, dass eine bestimmte Sehenswürdigkeit in der Nähe ist, jedoch keine weiteren Informationen erhält, welche Ausstellungen beispielsweise aktuell gezeigt werden.
Das System hinter Proxipedia ist ein sogenannter „Location-based Service“: Über die Standortbestimmung des Endgeräts zeigt die Plattform den Nutzern die ihnen nahe gelegenen Einrichtungen und Sehenswürdigkeiten an. Aktuell konzentriert sich das Team allerdings neben der Registrierung von Museen auf die Bereitstellung der Museumsdaten für den Endnutzer.
Outdoor-Punkte in Bamberg (Screenshots der App) / © Marisa Schiele
„Wir haben aber auch 270 Outdoor-Punkte in Bamberg, um zu zeigen, welches Potential in Proxipedia steckt. Dies ist letztlich auch unser Ziel: Wir wollen die umfassendste Plattform für kulturelle Points of Interest werden.“, so Dirk Steinhoff, Mitgründer von Artirigo. Die App kann als eine Art Navigationssystem gesehen werden, denn bei einem Spaziergang durch die Stadt werden die Nutzer über GPS immer wieder über Museen und Sehenswürdigkeiten informiert, die in der Nähe sind. So ist auch der Name Proxipedia entstanden: „Proxi hat nichts mit Proxy-Servern zu tun. Es stammt von proximity und steht für die Nähe und das standortbezogene. Wir sehen uns außerdem als Enzyklopädie für Kunstwerke, daher pedia.“, erklärt Dirk Steinhoff weiter.
Warum sollte man Proxipedia nutzen?
Die Zielgruppe der Plattform sind laut Aussagen von Artirigo alle, die in irgendeiner Form kulturinteressiert sind. „Proxipedia informiert über historische Gebäude, Kunstwerke im öffentlichen Raum, Museen und deren Ausstellungen und sonstige Sehenswürdigkeiten“, sagt Cornelius Möhring, Mitgründer von Artirigo. „Texte und Bilder werden den Nutzern während ihres Spaziergangs durch die Stadt standortbezogen auf ihre Smartphones übertragen – das ist eine einzigartige Möglichkeit, eine Stadt kennen zu lernen.“, so Möhring weiter. Durch den Location-based Service brauchen die Nutzer sich nicht unnötig durch hunderte von Einrichtungen scrollen, denn mit dem Aktivieren der Standortfunktion im Endgerät werden direkt Museen angezeigt, die in direkter Nähe sind. Das spart Zeit und ist bequem.
Proxipedia als Mehrwert für Einrichtungen und Sehenswürdigkeiten
Da die Registrierung auf der Plattform für die Einrichtungen kostenlos ist, entstehen für diese zunächst keine Kosten – ein Betrag von knapp 100 Euro pro Monat wird erst mit Inanspruchnahme weiterer Funktionen fällig. Die Plattform wirbt mit dem Satz: „Mit Ihrem kostenlosen Eintrag erreichen Sie mehr Besucher“, was durch die erwähnte standortbasierte Anzeige möglicherweise tatsächlich zutreffen könnte. Auf jeden Fall aber ist die Präsenz auf der Plattform eine kostenlose Werbung für die Einrichtungen. Durch die standortbasierte Anzeige der Museen wird ein Besuch durch die örtliche Nähe deutlich wahrscheinlicher.
Ansichten der Basis-, Indoor- und Outdoor-Einträge, Proxipedia Publisher sowie eine Beispielansicht eines Point-of-Interest
Praktisch scheint Proxipedia durch die weitreichende Möglichkeit sich nicht nur auf der Plattform registrieren zu können, sondern unter Anleitung von Artirigo und dem von Artirigo entwickelten Proxipedia Publisher gegen eine monatliche Gebühr einen multimedialen Museumsguide zu entwickeln. Hier soll also die Möglichkeit geboten werden, weitere Informationen und Bilder zu Museen, Ausstellungen oder auch bestimmten Exponaten herunterzuladen. Wird dieser Museumsguide von mehr Museen genutzt, kann Proxipedia zudem ein vielfältiges Vermittlungsangebot werden: Vor dem Besuch kann man sich über Einrichtungen informieren, währenddessen erhält man hilfreiche Informationen, die man nach dem Besuch auch jederzeit wieder abrufen kann.
Mit Proxipedia neue Besuchergruppen erreichen?
Für Kultureinrichtungen birgt besonders die App viele Vorteile. Zielgruppen, die sich nicht über klassische Medien wie Flyer oder in der Stadt verteilten Werbeflächen animieren lassen, können so einfacher erreicht werden. Auch die digitale Kunstvermittlung wird hier groß geschrieben: „Im Rahmen meines Studiums habe ich immer wieder festgestellt, dass die Kunstvermittlung über digitale Medien noch immer in den Kinderschuhen steckt“, sagt Anna Ontrup. Sie ist Kunsthistorikerin und unterstützt Artirigo bei der Bereitstellung von Inhalten, die speziell auf die Museen bezogen sind. Besonders aber auch für ortsfremde Touristen bietet Proxipedia viel Schmöker-Potenzial. Zudem schafft digitale Präsenz dauerhafte Bereitstellung von Informationen.
Nützlich oder nutzlos? Unser Test
Bei unserem Test zeigte sich folgendes: Befindet man sich beispielsweise am Deutschen Historischen Museum in Berlin, werden in der App über 100 „Points of Interests“ in einem Umkreis von bis zu 100 Kilometern angezeigt. Wählt man hingegen Berlin auf der Website aus, so sind lediglich 19 Einträge gelistet. Bei der Nutzung der App zeigte sich, dass für immerhin knapp die Hälfte der Berliner Museen Basisinformationen eingetragen waren. Ob bereits Informationen zu einem Museum hinterlegt sind, ist an einem orangefarbenen Symbol im Bild zu erkennen.
Screenshots der App, die während unserem Test entstanden sind / © Marisa Schiele
Reist man nach Frankfurt/Main, so denkt man in erster Linie an die bekannten Häuser Städel, Schirn, Museum für Kommunikation, Museum für Angewandte Kunst sowie für Moderne Kunst oder auch das Jüdische Museum. In Proxipedia sind derzeit aber nur vier von 34 Frankfurter Institutionen gelistet: Museum Viadrina, Ausstellungsraum Eulengasse, Bibelhaus Erlebnis Museum und Ernst-May-Haus. So auch in Hamburg: Von knapp 95 Museen sind fünf gelistet. Für kleine Städte wie Würzburg sind in einem Umkreis von 50 Kilometern 15 Attraktionen zu finden. Diese Stichproben zeigen, dass insbesondere kleine und mittlere Häuser die Sichtbarkeit der Plattform nutzen. Allerdings zeigt dies auch, dass je nach Ort die Anzahl und Bekanntheit der verfügbaren Museen und damit der Mehrwert der Plattform stark variieren kann.
Funktioniert Proxipedia? Unsere Erfahrungen
Da die App für Museen und Kulturinteressierte kostenlos ist, schadet es nicht, sich mit dieser einmal genauer auseinanderzusetzen. Durch die mobile App und die Auflistung aller Museen im Web ist es jedem Interessierten möglich auf den Datenbestand zuzugreifen. So kann selbst ein Kulturliebhaber ohne Smartphone auf die Liste der Museen im Web zugreifen. Leider entfällt dann aber die Möglichkeit tiefergreifende Informationen zu der Einrichtung vor Ort abzurufen.
Je mehr Museen und Sehenswürdigkeiten sich registrieren, desto zuträglicher wird die Plattform für Nutzer. Fast 460 Registrierungen klingen zunächst gut. Betrachtet man aber die räumliche Verteilung der bisherigen Registrierungen, kann es schnell passieren, dass man sich in einer Region mit nur wenigen Registrierungen befindet. Der nächstgelegene Spot kann dann 40 km entfernt sein, was die Nutzbarkeit vor Ort enorm einschränkt. Hinzu kommen die altbekannten Tücken der Technik: ist das Endgerät bzw. die App-Version veraltet oder das Mobilfunknetz eher dürftig, ist die App-Version mehr schlecht als recht nutzbar. Zudem erhält der Nutzer lediglich die Information, dass sich ein „Point of Interest“ in der Nähe befindet. Wie man allerdings dorthin kommt, muss neben altbekannten Städtekarten wohl doch noch Google Maps und Co. verraten.
Fazit: Mit Proxipedia neue Museen entdecken?
Über Proxipedia können alle Städte, Museen und Institutionen ihre Inhalte auf innovative Weise bereitstellen. Damit könnte sich die App zu einem allumfassenden Guide zu touristischen und kulturellen Attraktionen in Deutschland entwickeln. Vorteil ist vor allem, dass es eine gemeinsame Plattform für Museen, Sehenswürdigkeiten und Kunst im öffentlichen Raum ist. Der Fokus liegt somit nicht nur auf einem der Gebiete – Proxipedia kann sich zu einem kulturellen Führer etablieren. So ist diese Plattform praktisch, wenn es darum geht, sich einen Überblick über Museen und Sehenswürdigkeiten in Deutschland zu verschaffen, einen kleinen Wochenendtrip in eine noch unbekannte Ecke Deutschlands zu planen oder sich vor Ort vom Angebot inspirieren zu lassen. Wer sich also dem ein oder anderen regnerischen Wochenende oder einem Besuch von Verwandten gegenüber stehen sieht, kann durch diese Plattform Hilfe erwarten. Dazu müssen sich jetzt nur noch ein paar mehr Einrichtungen registrieren, um ein flächendeckendes Angebot zu schaffen und Interessierte finden, die bereit sind, die App zu nutzen. Proxipedia befindet sich auf einem guten Weg, der genutzt werden will!
Wir danken dem Team von Proxipedia für das persönliche Gespräch und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg!
Bildquelle: sofern nicht anders angegeben, liegen die Bildrechte bei Artirigo
[…] Eine Museums-App für ganz Deutschland? Das klingt irgendwie nach einem Traum, weil man, egal wo man sich gerade aufhält Informationen zu Museen und Sehenswürdigkeiten erhalten kann ohne jedesmal eine neue App laden zu müssen. Nicole Naumann und Marisa Schiele haben die App getestet und sehen durchaus Potential, aber auch einige Probleme: http://museumswissenschaft.de/proxipedia-die-app-fuer-kulturliebhaber-und-museomanen/ […]